Das war 1997/98 !
Was war falsch, was richtig? Was hat sich geändert?
Urteilen Sie selbst !
(Adressat des nachstehenden Thesenpapiers war u.a. der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages in Bonn 2.4.1998)
Die Börse - das unbekannte Wesen
oder
Die Vermeintlichkeit des Wettbewerbs
Einleitung
Die Börse ist für Außenstehende nach wie vor eine
Institution, die aufgrund ihrer in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannten Aufgabenstellung, ihrer - teilweise für
Dritte unverständlichen - Abläufe und Vorgehensweisen, den Ruch des Spekulativen und damit Abzulehnenden nicht
abschütteln kann. Hier liegt ein wesentlicher Faktor für die mangelhafte Beteiligung des deutschen privaten Anlegers
an diesem Ort des Geschehens auf dem Kapitalmarkt. Nicht nur Unkenntnis der Arbeitsweise und Regeln einer Börse, sondern
auch Zulassungsbeschränkungen - auch aufgrund von gesetzlichen Regelungen - und eine starke Tendenz zur Oligopol- oder gar
Monopolbildung seitens einzelner Marktteilnehmer verstärken diesen Tatbestand.
Für den privaten Anleger, der sein Erspartes gewinnbringend
anlegen will, haben die Banken es, traditionell und werbetechnisch ausgesprochen erfolgreich, immer wieder verstanden, sich eine
Vertrauensstellung zu schaffen - vergleichbar, aber mit anderem Hintergrund, zu den "Halbgöttern in Weiß" -.
"Die Bank" weiß, wie man mit Geld umgeht. Die Existenz eines "Grauen Marktes" dokumentiert zwar den
Bedarf einer Alternative, ist aber zu eng begrenzt, um diese Regel zu relativieren.
Auch der Gesetzgeber ist im Verlaufe der Jahrzehnte uneingestanden
diesem Eindruck gefolgt, hat sich aber einen bestimmten Rest an Mißtrauen bewahrt und demzufolge strikte Regeln für
Abläufe und Vorgehensweise an den Börsen vorgeschrieben. Es ist unbestreitbar, daß die unterschiedlichen
Crash-Situationen in den letzten hundert Jahren (Beispiel: der Schwarze Freitag) hier eine erhebliche Wirkung ausgeübt haben.
Dennoch hat die Erkenntnis oder besser der Eindruck, die Börse ist traditionell ein Markt der Banken, bis heute eine
nachhaltige Wirkung im Gesetzgebungswerk.
Ausgehend von dem Rest an Mißtrauen, das dem Gesetzgeber
verblieben ist, hat er aber die Funktion des - durch Amtseid gebundenen - "unabhängigen" Börsenmaklers
geschaffen, um die Geschäfte in "ordentlicher" Weise abwickeln zu lassen.
Es muß einen Grund haben, wenn jetzt allenthalben die Abschaffung des Börsenmaklers als neutraler
Intermediär gefordert wird - wenn auch mit einer völlig neuen Begründung:
Behinderung des abwicklungstechnischen
Fortschritts durch die modernen Instrumente der Datenverarbeitung oder die "Mathematik" der Software macht einen Makler
so überflüssig wie den Heizer auf der Elektrolok.
Sicher hat die Maklerschaft in der Vergangenheit durch Mangel an Phantasie und vor allem aus Bequemlichkeit
die Fortentwicklung ihrer Funktion an der Börse nicht in dem Umfange betrieben, der notwendig gewesen wäre, um sich
und den Kapitalmarkt für die Anforderungen der kommenden Wirtschafts- und Währungsunion fit zu machen. Diese Kritik hat
aber nichts mit ihrer vom Gesetzgeber geforderten Grundfunktion zu tun, sondern betrifft allenfalls die Ausgestaltung ihrer
Aufgabenstellung. Ob sie in diesem ihrem "Versagen" aber so ganz ohne externe Einflüsse (etwa durch reale
Stimmrechtsverhältnisse in den Börsengremien oder - subtiler - durch Rücksichtnahme auf die "faktische
Marktmacht" bei der Ordervergabe) geblieben ist, sei zunächst dahingestellt.
Wenn sich nun ein "Insider" in diesen Fragen zu Wort meldet, läuft er Gefahr, sich dem Vorwurf
der Bestandssicherung oder der Bewahrung der eigenen Pfründe auszusetzen. Diese Vorhaltung ist genau so wenig vermeidbar,
wie die, der Stärkung bzw. der Entwicklung des Finanzplatzes Deutschland in eine europäische Führungsrolle hinein
im Wege zu stehen.
Dabei lohnt es sich wirklich, die in Jahrzehnten gewachsene Börsenkultur mit ihren Handelsstrukturen einer
kritischen Betrachtung zu unterziehen. Entsprechendes gilt für die Funktion der Börse und ihre Bedeutung für die
am Handel Beteiligten.
Börse als Ort des Handels im Kapitalmarkt
Bekanntlich herrscht in Deutschland kein Börsenzwang. Dennoch ist die Börse der Ort, an dem sich der
Kapitalmarkt letztendlich im wesentlichen abspielt oder abspielen sollte. An den Wertpapier- und Derivate-Börsen versammeln
sich - mittelbar und unmittelbar -, Makler, Bankhändler, Emittenten, Vermögensverwalter, Spekulanten und Spieler
(interessanterweise fehlt hier der private Anleger, der aufgrund des durch die Gesetzgebung vorgegebenen Wertpapierabwicklungsmonopols
gezwungen ist, seine Geschäfte nicht direkt an der Börse, sondern ausschließlich über Banken abzuwickeln).
Sie benutzen die Börse praktisch als Transport- oder Konvertierungsmittel für Geld oder Wertpapiere. Dies tun sie in der
Erwartung, daß dort eine chancengleiche Vermittlung vorgenommen wird, d.h. daß dort weder
- Vermögens- oder Transaktionsgrößen
- noch einzelne Gruppen
privilegiert werden, sondern auch ein besonderes Augenmerk auf
- Fairneß,
- höchste Transaktionsgeschwindigkeit, um keine Verluste
durch Kursänderungsrisiken hinnehmen zu müssen,
- minimale Kosten pro Abwicklungsvorgang oder Kurswert,
- hohe Liquidität,
- hohe Preisfeststellungsqualität im Sinne maximaler Neutralität
gelegt wird.
Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist die Grundvoraussetzung für den Erfolg der Börse erfüllt.
Würde man heute eine Umfrage unter den beteiligten Parteien durchführen, ob diese Prämissen erfüllt sind,
wäre das negative Ergebnis sicher keine Überraschung, nur wird es nicht öffentlich ausgesprochen.
Neben diesen Zweifeln an der Neutralität des Börsengeschehens, ist die Tatsache festzuhalten, daß
grundsätzlich an der Börse eine gewisse Chancenungleichheit nicht zu vermeiden ist. Es gibt immer eine Partei, die ihre
Interessen als erste offenlegt, (z.B. durch Kauf-/Verkaufsaufträge oder Einstellen von Quotes in DV-Handelssysteme) und eine
zweite Partei, die darauf reagiert. Zur ersten Partei gehören fast immer die privaten Anleger - sie unterliegen zusätzlich
einer weiteren Benachteiligung durch den Zwang, ein Kreditinstitut, also einen in der Regel interessierten Handelsteilnehmer, an
der Börse einschalten zu müssen - und alle institutionellen Kapitalsammelstellen, Versicherungen etc. soweit sie nicht
selbst zum Handel an der Börse zugelassen sind.
Eine Möglichkeit, diese systemimmanente Chancenungleichheit zu vermeiden, besteht in der Beauftragung eines
neutralen Intermediärs (z.B. Vermittler wie Makler) mit der Orderausführung.
Börsen als Sekundärmarkt / Bedeutung für Emittenten
Für den Erfolg einer Börse sind die erzielten Umsätze, deren Ermittlung nicht unumstritten ist
(z.B. Mehrfachzählungen, Einbeziehung von außerbörslichen und reinen Abwicklungsumsätzen), sicher nicht
das alleinige Kriterium.
Die Plazierungskraft (d.h. anlageorientierte Dispositionen, Handeln auch größerer Engagements ohne
wesentliche Kursbeeinflussung und - nicht zu unterschätzen - Erleichterungen in der Beschaffung von Risikokapital) ist
eigentlich deutlich höher anzusiedeln und macht die Attraktivität eines Börsenplatzes aus. Hier haben die Börsen
in der Vergangenheit, und leider auch in der Gegenwart, nicht die Anstrengungen unternommen, die erforderlich wären. In Zukunft
sollten die Börsen diesen Kriterien die uneingeschränkt höchste Priorität einräumen.
Je größer potentielle Emittenten und damit unabhängiger in der Finanzbeschaffung, um so weniger
sind sie im Grunde auf die Börse als Ort der Kapitalbeschaffung angewiesen. Um so mehr muß jede - auch regionale -
Börse ihre Attraktivität erhöhen, um diese Emittenten an sich zu binden. Denn der Handel in großen Werten
bietet den Börsen die Möglichkeit einer Mischkalkulation, in deren Rahmen die Börsendienste besonders denjenigen zur
Verfügung stehen können, die allein nicht in der Lage sind, das für ihre Investitionen oder Marktstrategien notwendige
Eigenkapital auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen. Der Spielraum dieser Unternehmen würde erheblich ausgeweitet, da die Kosten
für die Eigenkapitalbeschaffung und dessen Bedienung in keinem Verhältnis zu den Kosten für Kredite und den diesen
inhärenten Beschränkungen für den finanziellen Spielraum des Unternehmens stehen.
"Neuer Markt" eine Problemlösung?
Märkte gibt es genug. Überlegungen, wie die vorhandenen Märkte effizienter und für neue
Emittenten interessanter ausgestaltet werden können, sind gefragt.
Ob die Installation eines "Neuen Marktes" mit - von Emittenten gesponsorten (!) - Betreuern (?) ein
sinnvolles Instrumentarium sein kann, ist schlichtweg zu bezweifeln. Nicht alle - von anderen kreierten - Ideen (Beispiel: Nouveau
Marché in Paris) sind deshalb schon richtig und müssen kritiklos übernommen werden. Die ursprüngliche Idee,
die Beschaffung von privatem Risikokapital zu erleichtern, wird durch das Marktmodell "Neuer Markt" konterkariert.
Geschaffen wird ein Prädikatsmarkt mit erhöhten Publizitätsanforderungen, zwingende Anwendung internationaler
Bilanzierungsvorschriften, Emissionsvolumen von mind. DM 10 Mio., 15% mindestens, möglichst 25% Streubesitz und anderen
Voraussetzungen. Zudem muß der Emittent einen Betreuer u.a. für eine Funktion bezahlen, die bisher die skrontoführenden
Makler in gleicher Weise , aber kostenlos, ausgeübt haben.
Die Rolle des Betreuers ist interessanterweise bis heute nicht endgültig definiert. Erste Hinweise auf die
Funktion des neu zu schaffenden Betreuers gab Herr Gutschlag (DB AG) auf dem Deutschen Eigenkapitalforum in Leipzig. Danach soll
der Betreuer ein emissionswilliges Unternehmen an der Börse einführen, bei der Erfüllung der Anforderungen beraten
sowie (sic!) im Übergangshandel (?) auf Anfrage die Geld- und Brief-Limite stellen. Gleichzeitig soll er das Privileg zum
Marktausgleich erhalten, d.h. er kann zeitweise Ungleichgewichte bei Angebot und Nachfrage überbrücken. Ähnlichkeiten
mit den Aufgaben eines Börsenmaklers sind rein zufällig und nicht beabsichtigt! Jeder Kursmakler, der die angeführten
Kriterien zur Förderung der Marktliquidität, nämlich auf Anfrage mindestens Stück 500 bei einem Maximalspread
von 5% zu handeln, zum Maß seines Handelns machte, würde wegen Unfähigkeit gescholten werden.
Um einer eventuell kritischen Diskussion auszuweichen, wird ganz nebenbei seitens der Deutschen Börse AG
entschieden, daß die Betreuerlösung natürlich nur für den "Neuen Markt" gelte, der im übrigen
außerhalb des Börsengesetzes als privatrechtliches Handelssegment für wachsende kleine und mittlere Unternehmen
in zukunftsweisenden und traditionellen Branchen geführt werden soll!
Zentralbörse oder Regionalbörsen ?
In dem eben erwähnten Zusammenhang zeigt sich die wesentliche
volkswirtschaftliche Bedeutung der Regionalbörsen. Durch ihre Marktnähe und die Möglichkeit, auch kleinere Emittenten
zu betreuen, wird die Kapitalversorgung klein- und mittelständischer Unternehmen sichergestellt, oder könnte - wenn
die Anstrengungen der einzelnen Börsen, auch im Sinne von Beratungs- und Betreuungsangeboten, deutlich verstärkt
würden - erheblich ausgeweitet werden. Die Themenbereiche "Zweiter Börsenmarkt", "Venture Capital",
"Kleine Aktiengesellschaft" und "Handel in GmbH-Anteilen" sollten nicht nur häufig benutzte Schlagworte
sein, sondern aktiv und innovativ angegangen werden.
Eine kostengünstigere oder effektivere Lösung, als die
Nutzung bzw. den Ausbau der Regionalbörsen für die eben geschilderten Zwecke, ist bisher noch nicht aufgezeigt worden. Die
ständige, den Blick für das wirtschaftlich Machbare und Notwendige verstellende und - mit Verlaub - einfallslose Diskussion
über Konzentrierung, Zentralisierung bis hin zur Vollcomputerisierung des deutschen Kapitalmarktes folgt letztendlich rein
betriebswirtschaftlichen Gründen einzelner großer Marktteilnehmer und läßt die Sorge für die
Kapitalbeschaffung und den Kapitaltransfer der Masse der kleinen und mittelständischen Unternehmen - und damit dem wichtigsten
Teil der deutschen Wirtschaft - völlig unberücksichtigt.
Man stelle sich vor, ein kleines regionales Unternehmen in Brandenburg
(pars pro toto) möchte an die zentralisierte deutsche Börse in Frankfurt und sucht einen Emissionspartner...
Unabhängig von der eben diskutierten Fragestellung gibt es über
das Prinzip der Regionalbörsen eine gespenstisch anmutende Diskussion über die Unerträglichkeit unterschiedlicher
Kurse an den verschiedenen Börsen. Bis heute gibt es keine klare Aussage darüber, wer denn geschädigt wurde,
wenn die Börsen in gleichen Papieren aufgrund der unterschiedlichen Orderlagen zu verschiedenen Kursfeststellungen kommen.
Der Anleger - hätte er die Möglichkeit ("Deutsche"
Indices sollten die Kurse aller "deutschen" Börsen, nicht nur der Frankfurter, beinhalten), die Kurse zu
verfolgen - könnte seiner Bank die Anweisung geben, an unterschiedlichen Plätzen interessewahrend seine Order
auszuführen. Dann wären die Banken nämlich verpflichtet, den Auftrag des Anlegers zu dem jeweilig für ihn
günstigsten Kurs an den unterschiedlichen Börsen auszuführen. Davor hat man entweder Angst, oder es widerspricht
dem eigenen Macht- bzw. Einflußdenken oder man empfindet es als schlichtweg zu aufwendig. Dieselben Vertreter würden
als Privatleute aber empört reagieren, wenn bei ihren privaten Einkäufen in Düsseldorf die Preise des Kaufhaus
des Westens in Berlin abgerechnet würden.
Die stille, d.h. nicht laut vertretene, Auffassung bei der Deutschen
Börse AG und ihrer wesentlichen Entscheidungsträger in Frankfurt lautet: eine Börse in Deutschland genügt.
Dies ist ein geradezu groteskes Mißverständnis der Marktmechanismen eines voll ausgebildeten Wettbewerbs. Die Vielfalt
der Anbieter und deren Konkurrenz untereinander um die "Gunst" des Anlegers schafft eine Ausweitung des Marktes und
damit des Umsatzes. Wer gezwungen ist, um den Kunden täglich neu zu werben, sich ständig etwas Neues einfallen zu lassen,
um Markt nicht zu verlieren, schafft Anreize. Die Suche nach immer neuen Marktsegmenten und Kunden ist der "Sauerteig"
einer gut funktionierenden Marktwirtschaft, die wir doch vorgeben zu haben, nicht die Monopolisierung. Sie schafft
Abhängigkeiten, macht satt und träge. Große Monopolisten, es sei denn, es handelt sich um Staatsbetriebe,
können hiervon ein Lied singen.
Enttäuschend ist in diesem Zusammenhang das Verhalten der Großbanken.
Sie sind unter Hinweis auf betriebswirtschaftliche Zwänge bzw. die Globalisierung der Märkte, dabei, die gewachsene
deutsche Börsenkultur zu zerschlagen. Die bereits erfolgte Auslagerung des Investment-Bankings nach London, und dabei wird
es nicht bleiben (trotz der jüngsten Ereignisse), zeugt nicht gerade von einem unbändigen Willen, den deutschen
Kapitalmarkt zum führenden Markt in Europa machen zu wollen. Die Integrationskraft, die hierfür erforderlich wäre,
das Bemühen um die Gesamtsituation nicht nur unter betriebswirtschaftlichen, sondern auch unter volkswirtschaftlichen
Aspekten müßte von ihnen ausgehen, wenn sie ihrem Anspruch gerecht werden wollen, eine in gewissem Sinne staatstragende
Rolle zu spielen. Im Gegenteil: Sie sind in diesem Sinne nicht Gestalter, sondern laufen Vorbildern als "Imitatoren"
hinterher und opfern die deutschen Börsen auf dem Altar ihrer eigenen Interessen.
Nicht zu verstehen - oder besser: nur zu verstehen unter dem Aspekt des Bestrebens nach Zentralisierung - ist, daß es angesichts
der zukünftigen europäischen Entwicklung bis heute nicht gelungen ist, einen neutralen Normenausschuß im Börsenwesen
zu installieren. Hier könnten Standardisierungslösungen (z.B. Datenträgerformate, EDI-Schnittstellen, Orderformate etc.)
erarbeitet werden, die es den vielen Gruppen in diesem Markt erleichtern würde, inhouse-Lösungen kostengünstig, auf ihre
eigenen Bedürfnisse zugeschnitten und zukunftsweisend zu erstellen. Dies ist in der Vergangenheit nur einmal - bei der Installation
der Deutschen Börse institutionsübergreifend gelungen.
Hier spielt eindeutig die Monopolisierung bzw. der Zentralisierungswunsch
der heutigen Akteure eine entscheidende Rolle. Wer alles an einem Platz konzentrieren will, kann derartige Überlegungen nicht
gutheißen. Dächte er tatsächlich global, wie behauptet, müßte er den Gedanken aber befürworten. Denn
dann würde ihm auffallen, daß ein europäischer Kapitalmarkt nicht nach der deutschen Vorstellung ablaufen wird,
sondern nach unterschiedlichsten Systemen, die kompatibel gemacht werden müßten. Ein Normenausschuß könnte
hier im Hinblick auf Standardisierung segensreiche Arbeit leisten.
Ganz neue Betätigungsfelder für die Regionalbörsen
wird es wohl nach Inkrafttreten der 6. KWG Novelle (die nach dem derzeitigen Diskussionsentwurf neben der Umsetzung der
Wertpapierdienstleistungsrichtlinie und der Kapitaladäquanzrichtlinie ganz erhebliche Änderungen insbesondere im Maklerrecht
bringen wird) geben. Viele regionale Depotverwaltungen, Kundenberater und Anlageberater werden, um allen Anforderungen, die
zukünftig, - für die meisten neu - , an sie gestellt werden, eine Anbindung an eine Börse suchen. Meldewesen,
komplizierte Eigenkapitalberechnung und Führen eines Handelsbuches, sowie entsprechend notwendige Kapitalausstattung und
deren Überwachung lassen dies sinnvoll erscheinen.
Der Staat als "Gestalter" der Börse
Der Staat hat nicht ohne Grund - die Vergangenheit der Börsencrashs
und vieler Unregelmäßigkeiten zeigt dies mehr als deutlich - eine absolut dominante Rolle in dieser
ursprünglichen (?)"Veranstaltung der Banken" zu spielen. Mangelnde Sachkenntnis in der Vergangenheit und
jahrzehntelange, schon fast traditionelle Abschottung bzw. Geringschätzung der für gesetzgeberische Gestaltung
Zuständigen hat bisher eine zukunftsweisende - oder zumindest sachgerechte Einflußnahme der Politik behindert.
Dies hat sich in den letzten Jahren hinsichtlich der Rahmenbedingungen geändert.
Die Genehmigung und Beaufsichtigung der Börsen ist Ländersache.
Hier jedoch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß insbesondere in Hessen keine Börsenpolitik im
volkswirtschaftlichen Sinne, d.h. für eine möglichst optimale Gestaltung des Finanzplatzes Deutschland, sondern reine
Standortpolitik - zu Lasten des Gesamtmarktes - für den Finanzplatz Frankfurt betrieben wird. Eine Feststellung, die bei
anderen Themen auch andere Bundesländer betrifft.
Man wird den Verdacht nicht los, daß eine stärkere staatliche
Einflußnahme auch nicht erwünscht zu sein scheint. Wie anders sollte man die jüngst geäußerte Forderung von
Herrn Dr. Breuer (Vorstand Deutsche Bank) verstehen, es sollte weniger staatlich überwachte Börsen und dafür mehr private
Handelssysteme geben.
So sehr der privaten Initiative breiter Raum bei der Gestaltung des
Marktes eingeräumt werden muß, so sehr muß aber darauf geachtet werden, daß die Interessen der privaten Wirtschaft
nicht zur Monopolisierung im weitesten Sinne des Wortes führen. Dieser Markt befaßt sich nicht mit irgendwelchen Gütern,
sondern ist der zentrale Handelsort für das in einer Volkswirtschaft sensibelste Gut, das Kapital. Hier vollzieht sich die
volkswirtschaftlich notwendige Allokation knapper Kapitalmittel auf die jeweils ertragreichste Anlage.
Die volkswirtschaftliche Bedeutung von einem funktionierenden Geld-
und Kapitalmarkt ist so elementar, daß hier der Staat einen Rahmen vorgeben muß und entsprechende Kontrollen einzubauen
hat. Nur ein staatlicher, ordnungspolitischer Rahmen kann gewährleisten, daß das Marktgeschehen geordnet - und damit im
volkswirtschaftlichen Sinne einigermaßen optimal - vonstatten geht und Auswüchse verhindert werden. Der Gesetzgeber darf
sich hier das Gesetz des Handelns nicht aus der Hand nehmen lassen.
Strukturveränderungen an der Börse
Unbestreitbar ist, daß Veränderungen in der Struktur der
Börse dringend erforderlich sind. Zielsetzung muß dabei nicht nur die viel beschworene Wettbewerbsfähigkeit im
internationalen Rahmen sein. Mindestens genau so wichtig ist die Berücksichtigung der unterschiedlichen Marktstruktur in
der deutschen Börsenlandschaft.
Auf der einen Seite sind dies die Interessen der wenigen großen,
institutionellen Marktteilnehmer, die voll im internationalen Wettbewerb stehen, auf der anderen Seite die Vielzahl kleiner und
mittlerer Marktteilnehmer sowie die Millionen Anleger, deren berechtigten Belange ebenfalls zu schützen sind. Sowohl der
Gesetzgeber als auch die Entscheidungsträger der deutschen Börsen sind zu diesem Schutz verpflichtet und haben demzufolge
die einzelnen Gruppeninteressen ausgewogen zu berücksichtigen.
Damit wird deutlich, daß eine Neustrukturierung nicht mit einer
Monopolisierung - gleichbedeutend mit Verdrängung und Reduzierung von Marktteilnehmern - als Folge einer Zentralisierung und
quasi "menschenfreien" Computerisierung einher gehen darf.
Unstreitig ist, daß der reine Profihandel (Handel auf eigene
Rechnung) etwas anderen Kriterien unterliegt als der übrige Markt, insbesondere dann, wenn im Auftrag und für Dritte gehandelt
wird. Im Profihandel agieren Fachleute mit klaren Vorstellungen über ihr jeweiliges Ziel, verbunden mit der vollen Verantwortung
für die Konsequenzen ihrer Handlungen. Dadurch verbietet sich hier die Einbeziehung von Kundenaufträgen ausdrücklich.
In den letzten Jahren hat sich dieser Sektor durch die Einführung der Terminmärkte zusätzlich - auch im Sinne einer
Belebung des Kassamarktes - verändert. Hier sind insbesondere die Arbitragegeschäfte zwischen den beiden Märkten
angesprochen. Zwar sind Futures und Optionen in aller Regel von keinem großen volkswirtschaftlichen Nutzen, aber internationale
Praxis und aus dem Börsengeschehen nicht mehr wegzudenken. Über Sinn oder Unsinn zu streiten, führt deshalb nicht
weiter. Tatsache ist, daß der Profihandel des Kassamarktes durch Terminmarktfunktionen beeinflußt ist, wohingegen der
private Anleger wenn, dann eher in die Kapitalanlage Aktien als solche investiert. (Umsatzanteil Optionsscheine zu Aktien ca.
2,4% zu 97,6%).
Eine Trennung von wholesale/retail market (Großhandel/Einzelhandel)
könnte sich hier anbieten. So könnte verhindert werden, daß wenige, starke Marktteilnehmer Märkte von hoher
volkswirtschaftlicher Bedeutung dominieren und Kurse in eine für sie nützliche Richtung beeinflussen.
Eine völlige Trennung ist allerdings dann nicht sinnvoll, wenn
man berücksichtigt, daß festgestellte Kurse nicht nur für Marktteilnehmer, sondern auch für steuerliche Zwecke
relevant sind. Das führt zu der Erkenntnis, daß eine effiziente und kostengünstige Vernetzung beider Segmente
notwendig ist, um ein Auseinanderdriften der Kurse zu verhindern.
Internationale Wettbewerbsfähigkeit
Es ist zweifellos richtig, daß die heutige Börsenstruktur
der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Kapitalmarktes, speziell im europäischen Raum, nicht gerade
förderlich ist.
Diese internationale Wettbewerbsfähigkeit ist aber nicht unbedingt
dadurch zu erreichen, daß der nationale Wettbewerb eliminiert wird. Im Gegensatz zur heutigen Praxis muß der
nationale Wettbewerb gestärkt werden, um die dringend erforderliche Leistungsverbesserung bewerkstelligen zu können.
Allerdings kann Wettbewerb nur dann funktionieren, wenn Wettbewerbsregeln - staatlicherseits - vorgegeben sind und die Einhaltung
durch die zuständigen Aufsichtsstellen (Bundeskartellamt, BAWe sowie die Börsenaufsichtsbehörden) auch
überprüft wird.
Es wirkt schon etwas befremdlich, wenn Vertreter, die in volkswirtschaftlichen
Seminaren dem Wettbewerb als leistungsförderndem Element das Wort reden, in anderen Seminaren den - leider nicht ausreichend
vorhandenen - Wettbewerb deutscher Börsen untereinander als provinziell und die internationale Wettbewerbsfähigkeit
behindernd beklagen.
In diesem Zusammenhang von Kleinstaaterei zu reden, entbehrt in einem
föderalistisch aufgebauten Staat nicht einer unfreiwilligen Komik. Dieser Staat hat in seiner föderalistischen
Verfaßtheit eine Prosperitätsphase erlebt, die gezeigt hat, daß Eigenverantwortlichkeit bei gleichartiger
Infrastruktur Erhebliches zu leisten vermag. Auf den Börsenbereich übertragen heißt dies, daß Vernetzung,
Kommunikation, Handelsverbund und ähnliche Instrumente - wohlgemerkt auf modernstem technischen Niveau! - erforderlich sind,
um die Leistungsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland - unter Einbeziehung marktbearbeitender Techniken - zu erhöhen.
Zielsetzung muß sein, daß eine breit angelegte Basis, d.h. eine intensivere und stärkere als heute existierende
Beteiligung des Privatkapitals am Kapitalmarkt, geschaffen wird.
Daß andere, angeblich Maßstäbe setzende Länder,
wie z.B. die USA als auch Japan oder England, ja sogar das zentralistische Frankreich anders denken, sei nur am Rande erwähnt.
Warum nun ausgerechnet Vertreter der Schweizer Philosophie (siehe die kürzlich vollzogene Zentralisierung in Zürich
auf Basis einer elektronischen Börse, an deren Konzeption einer der Vorstände der DB AG beteiligt war. Die Zentralisierung
in Zürich hat vielleicht etwas mit dem Volumen des dortigen Börsenhandels und dem traditionell maklerlosen Handel zu tun.
Ergebnisse müssen abgewartet werden.) die Geschäftsführung der Deutschen Börse AG übernehmen mußten,
gibt doch zu denken. Nichts gegen die Schweiz, aber sie symbolisiert nicht die Welt. Die USA und andere erscheinen da doch von
einem höheren Stellenwert.
Duales System oder wie man einen Gegensatz konstruiert
"Präsenzbörse versus Computer" lautet der überall
verkündete Gegensatz und: "Das Bessere ist des Guten Feind", d.h. die voll computerisierte Börse ist der
Präsenzbörse weit überlegen (Stichworte: Fehlervermeidung, Kosten, volle Transparenz, hohe Transaktionsgeschwindigkeit
etc.). Die Stichhaltigkeit dieses konstruierten Gegensatzes hat offensichtlich noch niemand überprüft, sonst würde
diese Parole nicht wie eine Gebetsmühle ständig unwidersprochen wiederholt.
Wie sind die Fakten? Die Präsenzbörse nutzt heute ebenso
DV-Systeme wie andere Wirtschaftsbereiche auch. Daß diese Systeme den an sie gestellten Anforderungen nur rudimentär und
mit großen Mühen halbwegs gerecht werden können - um es nicht schlimmer zu formulieren -, ist keine Folge der Existenz
der Präsenzbörse, sondern ist die schlechte Qualität der angebotenen Software. Sie ist weit davon entfernt, auch
nur mittleren Ansprüchen gerecht zu werden. Sie ist in wesentlichen Bereichen, teilweise durch Beharren auf ausschließlicher
Großrechnertechnologie über den Stand der 70er Jahre nicht hinaus gekommen. Die Ende der 80er Jahre angedachte generelle
Neufassung ist aufgrund der immer häufiger notwendigen Anpassungen (z.B. BOSS-cube) bis heute nicht realisiert worden, so
daß weiterhin die Nutzer der Software mit der ihr eigenen Bedienerunfreundlichkeit, mangelhaften Serviceleistungen,
Ungleichbehandlung der Marktteilnehmer, sowie großer Schwerfälligkeit in der Anpassung an aktuelle Erfordernisse rechnen
müssen. Damit einhergehend sind entsprechend die hohen effektiven Kosten. Bekanntlich ist deutsche Börsensoftware noch
nicht exportiert, wohl aber internationale Software importiert worden (z.B. DTB).
Diese Aussage ist um so schmerzhafter, weil sie einen Monopolisten
trifft, nämlich die Deutsche Börse AG als alleinige Mutter der Deutschen Wertpapierdaten Zentrale (DWZ). Diese Tochter hat -
mit "sanfter Unterstützung" der Muttergesellschaften der Deutschen Börse AG, der deutschen Großbanken, -
konkurrierende Systeme aus dem Markt gekauft und stillgelegt, gleichgültig, ob sie besser oder gleich gut waren. Der Vorwand:
die Software muß vereinheitlicht werden, um durch die intensivere Nutzung eines einheitlichen Systems die Kosten zu reduzieren.
Ergebnis dieser, zugegeben langfristig angelegten, mit großer
Intensität betriebenen und mit dezenten Druckmitteln durchgesetzten Strategie der Verfechter der Computerbörse ist,
daß ihre Gegner - und das ist der große Rest des Marktes einschließlich der Börsenmakler - dieses schlechte
System der DWZ auch noch überhöht bezahlen muß. Peinlicherweise haben sich die Kosten für die Anwender
gegenüber der früheren Situation um ein Vielfaches erhöht.
Einem "Ondit" zufolge sind die Jahresergebnisse der DWZ
nicht die schlechtesten...Ein Indiz hierfür bietet das Bilanzergebnis der Deutschen Börse AG. Bekanntermaßen sind
Börsen in ihrer öffentlich-rechtlichen Verfassung keine Profitcenter, wohl aber deren privatrechtlich organisierten
Träger.
Anders formuliert: der auch in Veröffentlichungen immer wieder
geforderte Wettbewerb der Systeme kann gar nicht stattfinden, da dieDWZ keine Schnittstellen für andere Systeme anzubieten bereit
ist. Aus der Sicht der DBAG/DWZ als Monopolist verständlich; der Sache aber nicht unbedingt dienlich.
In Veröffentlichungen ist zudem zu lesen, daß die Frankfurter
Wertpapierbörse zusätzlich per Vertragskonstruktion auch noch die Lizenzvergabe an potentielle Benutzer der DWZ-Systeme
genehmigen muß. Ist für das in Planung und Umsetzung befindliche Ehs nicht sogar weitergehendes in der Überlegung?
Honni soit qui mal y pense!
Wären die eingesetzten Programme besser und der Wettbewerb funktionsfähiger,
hätten die Befürworter einer Präsenzbörse bessere Chancen. Dann könnte nämlich endlich nachgewiesen werden,
daß der Einsatz von vernetzten Computerprogrammen tatsächlich der heutigen Präsenzbörse die Möglichkeiten
gäbe, sich zu entwickeln und die für Computerbörse reklamierten Vorteile besser und für die Marktteilnehmer
wirkungsvoller zu realisieren. So sind bereits heute Orderrouting, pretrade, Kurs-Umsatz-Zeit-Anzeige, Ausführungsanzeige und
andere, auf der Wunschliste von Börsenteilnehmern und Außenstehenden stehende DV-Bausteine, vorhanden, deren bessere
Nutzung und konsequente Weiterentwicklung oder Realisierung es zu fördern gilt. Die ausschließliche Forderung nach
Verlängerung der Börsenzeit reicht sicher nicht aus.
Da beim Präsenzhandel schon jetzt durch Computereinsatz die
"Präsenz" an der Börse den Handelsteilnehmern erspart bleibt, wodurch also unterscheiden sich dann die Systeme?
Dies kann nur in dem Preisfeststellungsverfahren und der Preisqualität sowie den unterschiedlichen Intentionen der
Marktteilnehmer begründet sein. Der reale Gegensatz ist nämlich nicht der Einsatz des Computers, sondern die Existenz
des unabhängigen - und auch durch Amtseid zur Neutralität verpflichteten - Börsenmaklers! Dieser ist - aufgrund eben
dieser Neutralität - verpflichtet, eine funktionierende und die einzelnen Interessen berücksichtigende Preis- und Marktpflege
zu betreiben. Zudem ist er für den Kurs verantwortlich, berücksichtigt Indikatoren wie allgemeine Marktlage, Indices und
wird - last but not least - genauestens in seiner Vorgehensweise durch staatliche Aufsicht überwacht.
Die Qualität des Kursfeststellungsverfahrens ist von entscheidender
Bedeutung. Deshalb hat der Gesetzgeber u.a. vorgeschrieben, daß ein Kurs nicht willkürlich festgesetzt werden darf und
"der wirklichen Geschäftslage des Handels an der Börse" entsprechen muß.
Der gerechnete Kurs wird nach Aufruf des Papiers durch den Kursmakler
(oder preisfeststellenden Makler) im Wege des "Meistausführungsprinzips" festgestellt; d.h., alle Kauf- und
Verkaufsaufträge werden gesammelt und unabhängig von ihrem zeitlichen Eingang gegenübergestellt. Festzusetzen ist der
Preis, zu dem die meisten Aufträge ausgeführt werden können.
Die Feststellung der wirklichen Marktlage ist schwierig. Gerade der
Kursmakler kann aber aufgrund seiner Berufserfahrung, seiner detaillierten Marktkenntnis und der Übersicht über den
Börsenverlauf dafür Sorge tragen, daß Aufträge, die nur zu extrem von der üblichen Marktsituation
abweichenden Bedingungen ausführbar sind, von den Handelsteilnehmern nicht ausgenutzt werden. Auch Abrechnungsmanipulationen
wird so vorgebaut.
Dem Kursmakler kommt damit die Rolle eines Intermediärs zu,
der dafür sorgt, daß der Preis der Wertpapiere der tatsächlichen Nachfrage und dem wirklichen Angebot entspricht.
Er sorgt in Kenntnis der allgemeinen Interessen der Marktteilnehmer auch dafür, daß sich diese überhaupt in Angebot
und Nachfrage artikulieren und übernimmt somit zusätzlich die Funktion eines Suchintermediärs.
Um mögliche Interessenkonflikte des Kursmaklers von vornherein
auszuschließen, hat der Gesetzgeber die Handelsteilnahme des Kursmaklers mit umfangreichen Restriktionen belegt. So darf
sein Engagement nur insoweit erfolgen, als dies "zur Ausführung der ihm erteilten Aufträge nötig ist".
Es darf zudem "nicht tendenzverstärkend wirken" und es gilt selbstverständlich auch hier, daß die
festgestellten Kurse "der wirklichen Geschäftslage des Handels an der Börse entsprechen" müssen.
Außerdem sind "alle Aufträge gleich zu behandeln", eine Bevorzugung der Eigengeschäfte ist also nicht
erlaubt. Durch den Kurs bzw. Orderausruf ist darüber hinaus die Teilnahme aller Handelsteilnehmer an der Kursfeststellung
ermöglicht, ein Mißbrauch durch fehlende Transparenz ausgeschlossen.
Darüber hinaus wird seine Eigengeschäftstätigkeit
auf ein an den geleisteten Sicherheiten orientiertes Maß beschränkt und seine finanzielle Leistungsfähigkeit wird
laufend überprüft. Zudem überwacht die an den Börsen eingerichtete Handelsüberwachungsstelle neben der
schon immer bestehenden Börsenaufsicht die korrekte Ausübung seiner Tätigkeit.
In einer reinen Computer-Börse registriert der Computer lediglich
die Abschlüsse zweier Marktteilnehmer, ohne besondere Marktsituationen zu berücksichtigen. Er trägt zwangsläufig
keine Verantwortung und ist auch nicht in der Lage, gegebene Limits so abzugleichen und zu steuern, daß ein Geschäft
zustande kommt. Unter Berücksichtigung der immer größer werdenden Volatilität der Märkte einen Auftrag
unlimitiert und ohne Berücksichtigung der augenblicklichen technischen Marktlage an die Börse zu geben, kann jetzt schon
zu großen, in der Regel unangenehmen Überraschungen führen. Eine EDV-Börse würde diesen Trend nur noch
mehr verstärken (siehe Beispiele in IBIS). Durch die Monopolisierung qua System wächst zudem die Gefahr unzulässiger
Kursabsprachen.
Die Vertreter der reinen Lehre haben zwischenzeitlich bemerkt, daß
hier doch erhebliche, markt-, umsatz- und einsatzeinschränkende Faktoren vorliegen, die das System entscheidend im Wettbewerb
zurückwerfen können. Die in London nach dem Big Bang und in den verschiedenen Crash-Situationen gemachten Erfahrungen
zeigen die Schwächen dieses Systems in aller Deutlichkeit. Alleine die Reduzierung der Marktteilnehmer und die deutliche
Verschlechterung der Situation für small caps (Erhöhung des Spreads), hätten Anlaß zu einer genauen Analyse
sein müssen, deren Ergebnisse auch für den Finanzplatz Deutschland von einiger Bedeutung sind.
Nach Auffassung der Verfechter der reinen Computerbörse soll
an die Stelle des Börsenmaklers ein sogenannter Betreuer treten, der in aller Regel einem der großen Marktteilnehmer
angehört oder verpflichtet ist. Ob es ihm im Konfliktfall dennoch gelingt, gegen die Interessen eines der großen
Teilnehmer zu handeln, muß zumindest bezweifelt werden. Es kann durchaus - aus dem Interesse eines Marktteilnehmers heraus -
sinnvoll sein, eine bestimmte Order nicht ausführen zu lassen, obwohl mit einem gewissen Bemühen dies möglich
wäre. Man kann es auch anders formulieren: In einer derartigen Zukunft könnten die Banken versucht sein, die Kurse so
zu beeinflussen, daß der Nostrohandel (bankeninterne Eigenhandel) zumindest keine Verluste aufweist. Außerdem sind
kursbeeinflussende Schwerpunktaktionen zu bestimmten Stichtagen (z.B. Bilanzstichtagen) ebenfalls durchaus denkbar.
Früher wurden an der Börse Aufträge ausgehandelt,
daher der Name Börsenhandel. Provision gibt es nicht für den guten Kurs, sondern nur für den Abschluß.
Da ein Geschäftsanreiz nicht gegeben ist, handeln die Kreditinstitute in der Regel nur noch ihre eigenen Positionen.
Dennoch: aufgrund der gegebenen oder doch erforderlichen Fürsorgepflicht
des Auftragnehmers für den privaten oder institutionellen Anleger sollte ein Ausführungskurs nicht nur bekannt gegeben
oder - von Seiten des Auftraggebers - wie ein Gottesurteil hingenommen werden. Er ist durch den Ausführenden unter den
jeweils existierenden Umständen für den Anleger so optimal wie möglich zu gestalten.
Interessanterweise offerieren die Banken auch an ihren Schaltern
interessierten Kunden insbesondere die Papiere, die sie selbst in ihrem Portefeuille halten. Informationen über andere Papiere
werden ungern und nur auf intensives Befragen weitergegeben. Diese Vorgehensweise ist eigentlich ausgesprochen wettbewerbsverzerrend,
damit marktschädlich und stimmt nicht unbedingt mit den Grundsätzen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb überein.
Es bleibt der dringende Verdacht, daß die Neutralität
eines amtlichen, d.h. hoheitlich agierenden Kursmaklers nicht erwünscht ist oder zumindest - positiv formuliert - als
"quantité negligeable" betrachtet wird. Die neu konzipierte Amsterdamer Wertpapierbörse - wohlgemerkt: es
handelt sich um eine elektronische Börse! - zeigt, daß man völlig anderer Meinung sein kann. Der holländische
Hoekman, in seinem Aufgabengebiet dem deutschen Kursmakler vergleichbar, spielt dort eine entscheidende Rolle. Obwohl primär
für den retailmarket zuständig, hat die Verknüpfung mit dem wholesalemarket zu einer erheblichen Verbesserung der
Performance beigetragen. Verengung der Spreads (Kosten), Verbesserung der Liquidität, niedrigere Volatilität und das
Zurückholen von nach London abgewanderter Umsätze kennzeichnen den Erfolg dieser Konzeption.
Auf jeden Fall sollte zum Schutz des Anlegers der "Tatbestand
der fahrlässigen Orderausführung" eingeführt werden, um dem Anleger ein Mindestmaß an Schutz gegen
Fehlverhalten oder Manipulationen zu bieten. Der Begriff "interessewahrend" hat einen Sinn, der nicht verloren gehen darf.
Börse als Dienstleister
Die Börse ist, neben ihrer rein mechanistischen Aufgabe des
Handelsortes für Wertpapiere, eine volkswirtschaftliche und in diesem Sinne eminent politische Institution und sollte dies auch in
der Öffentlichkeit verdeutlichen. Sie spielt für den deutschen Kapitalmarkt die herausragende Rolle und müßte
diese ihre Funktion oder Bedeutung immer wieder deutlich werden lassen. Wer im Kapitalmarkt eine Rolle spielt, muß in der Lage
sein - und es notabene auch wollen -, zu volkswirtschaftlichen Themen nationaler oder internationaler Prägung Stellung zu
beziehen und dieser Meinung auch in der Öffentlichkeit Geltung zu verschaffen.
Börsen werden seit der Novellierung des zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes
1994 von Geschäftsführungen in eigener Verantwortung geleitet. Trotzdem treten sie interessanterweise - von Ausnahmen
abgesehen - selten aktiv in der Öffentlichkeit auf und äußern sich zu den die Börsen interessierenden Fragen.
Sie überlassen das Feld oft - zu oft? - dem Börsenpräsidenten oder Vertretern des Börsenrates (man beachte
deren Zusammensetzung!).
Die neu übernommene Verantwortung kann nicht dadurch dokumentiert
werden, daß man auf "die höheren Weisungen des Himmels" wartet. Wie bereits mehrfach betont, ist die Börse
eine volkswirtschaftliche Angelegenheit und nicht die Interessenvertretung einzelner Börsenträger oder der diese tragenden
Kreditinstitute. Dies gilt in verschärftem Maße für die regionalen Börsen. Es genügt einfach nicht, auf
die Meinungen oder Ideen der "Großen Börse" in Frankfurt zu warten und dann deren Entscheidungen mit Beifall
zu begleiten oder - was noch schlimmer ist - hinter "vorgehaltener Hand" über deren Eigenmächtigkeiten zu klagen.
Wenn man sich heute das Bild der Börse in der Öffentlichkeit
vor Augen führt, stellt sie sich tatsächlich als das unbekannte Wesen dar. In der Werbung haben die Börsen noch nicht
einmal angefangen, die Grundbegriffe zu erlernen.
Dies wird deutlich, wenn man an den Universitäten beispielsweise
nachfragt, wie die Börse auf Informationsanforderungen reagiert. Der betroffene Professor, Dozent oder Student kann sich
glücklich schätzen, wenn er überhaupt eine Antwort bekommt; das Material, das er - im positiven Fall - erhält,
führt ihn in aller Regel nicht weiter, weil es sich meist um aussageloses Prospektmaterial handelt. Statistiken existieren nur
unzulänglich.
Dies gilt nicht nur für die Regionalbörsen, sondern auch
für die Deutsche Börse AG und ihre Tochtergesellschaften, die sich sonst so weltoffen geben. Bei angelsächsischen
Börsen ist die Situation eine völlig andere. Dort wird man bei Anfragen mit einer Fülle von Material bedacht, mit
dem auch der Laie etwas anfangen kann.
Wer glaubt, diese desolate Situation gelte nur für die Öffentlichkeitsarbeit,
frage einmal bei emissionswilligen Unternehmen nach...
Bei dieser Situation ist es nicht weiter verwunderlich, wenn in Deutschland
auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes und der Verbraucheraufklärung - man wagt, die Forderung nach der Werbung für eine
aktive Beteiligung der privaten Anleger am Kapitalmarkt gar nicht auszusprechen - ein erhebliches Defizit existiert. Beispiele wie
die Emission der T-Aktie sind als Gegenargument unbrauchbar. Für die Plazierung dieses Papieres war eine alle bisher bekannten
Dimensionen (= Kosten) sprengende Werbekampagne erforderlich, da der Kapitalbedarf mit ca. 21 Mrd. DM Rekordniveau erreichte und zu
erheblichen Verwerfungen im Kapitalmarkt geführt hätte. Nur durch die Aktivierung von privatem - bisher an dem Kapitalmarkt
so nicht präsentem - Kapital konnte die Einführung ohne Schaden für andere Anlageformen durchgeführt werden. Ob
mit diesem beispiellosen Vorgang dem deutschen Börsenwesen ein Dienst erwiesen wurde, wird die Entwicklung in den kommenden
Monaten und Jahren zeigen.
Ist dies allein schon als beklagenswert zu bezeichnen, so ist die
völlige, durch mangelhaftes Wissen gekennzeichnete, Überforderung von Richtern und Rechtsanwälten geradezu gefährlich.
Eine sachgerechte Rechtsprechung wird so dem Zufall überlassen, Schiedsmänner aus dem Bankenbereich helfen hier auch nicht
entscheidend weiter. Der Gesetzgeber als letzter Rettungsanker ist ebenfalls überfordert, für jeden einzelnen Fall
nachvollziehbare Regelungen aufzustellen.
Mühselige Versuche von Volkshochschulen, das allgemeine Wissen
um den Kapitalmarkt zu verbessern, scheitern oft kläglich an dem mangelnden Wissen der Referenten um die Praxis. Börsen, die
letztendlich von Börsenaufträgen leben, tun auf diesem Gebiet so gut wie nichts.
Hier sind alle Börsen gefordert, nicht nur durch glasgeschlossene
Besuchertribünen ihren Beitrag zu leisten, sondern auch z.B. mehr als bisher durch Vortragsreihen für Schulen, Volkshochschulen,
Gastdozenturen an Universitäten etc., Fachreferendarien für potentielle Anleger bzw. für die interessierte
Öffentlichkeit, neutrales und aufklärendes, von allen zu verstehendes Schriftmaterial, regelmäßige
Veranstaltungen wie Tag der offenen Tür. Der Beispiele lassen sich viele finden, man muß nur auch einmal wollen. Weder die
gezielte Beratung am Bankschalter noch der Besuch überteuerter Fachseminare ersetzen die - durch die Neutralität
der Institution "Börse" eher mögliche - aktive Werbung um neue Kunden und dadurch größere
Ausschöpfung des Marktpotentials.
Sattheit, Ziellosigkeit, Beschäftigung mit eigenen Problemen
- um es nicht schlimmer zu formulieren - , bürokratisches Verhalten im negativen Sinne und Phantasielosigkeit prägen die
Szene. Visionen sind nicht gefragt. Warum kommt niemand auf die Idee, die gängigen Instrumente - z.B. Kundenbefragung,
Zertifizierung nach DIN/ISO etc. - zu nutzen, um die Effektivität der Börse auch in ihrer Außenwirkung zu steigern?
Bei dieser Situation kann jedenfalls die viel beschworene Aktienkultur
und eine stärkere Beteiligung des privaten Anlegers am Kapitalmarkt
nicht entstehen. Vielleicht ist dies sogar gewollt, um den privaten Kapitalanleger mehr auf das Fondswesen zu konzentrieren, bei dem ja
auch noch die Risikoabsicherung gegeben ist. Oder zu sein scheint, wenn man die Vorkommnisse bei der Deutschen Morgan Grenfell richtig
deutet...
Ausblick
Die Börsen sind nach allgemeiner Auffassung - und wohl auch
nicht zu Unrecht - der Spiegel oder Ausdruck der wirtschaftlichen Potenz eines Landes oder einer Region. Dies wird deutlich, wenn man
an die Ausstrahlungskraft von New York oder Tokio denkt. Vorgänge dort sind global von großer Bedeutung und wirken sich
positiv wie negativ auf die Volkswirtschaften aus. Das alte Europa als bedeutsamer Wirtschaftsfaktor kennt die Börsen in London,
Paris, Frankfurt und viele andere, alle mit einer weit geringeren globalen Bedeutung.
Mit einer einheitlichen Währung im Rahmen der Wirtschafts- und
Währungsunion wird sich die Situation grundlegend ändern. Hier muß der deutsche Kapitalmarkt klar Position beziehen und
für eine angemessene Stellung entsprechend der Bedeutung Deutschlands sorgen, damit er in diesem größeren Rahmen nicht
zu einer regionalen Veranstaltung verkommt. Hierüber sind sich alle mehr oder weniger einig.
Wenn aber dem so sein sollte, bleibt unverständlich, daß
einzelne große Marktteilnehmer der Meinung sind, in London sei man besser aufgehoben. Ist es die geringere Kontrolle oder
Börsenaufsicht? Ist es die im Euckenschen Sinne unverzichtbare Aufsichts- und Gestaltungspflicht des Staates, die nicht gewollt
ist, oder die - wenn man schon diese Funktion nicht wegdiskutieren kann - behauptete Überregulierung? Sind es Kostengründe?
Ist es eine nicht vorhandene Integrationskraft, wie die Bundesbank sie darstellen könnte?
Tatsache ist weiterhin, daß weder die öffentliche Hand
- trotz verbaler Kraftakte - noch die Kreditinstitute, noch - last but not least - die Börsen selber, aktiv etwas dazu beigetragen
haben, um den Kapitalmarkt und seine Chancen so publik zu machen, daß die Beteiligung des privaten Kapitals mindestens das Niveau
der angelsächsischen Börsen erreicht.
Vor allem die Börsen - und hier insbesondere die regionalen
Börsen - sollten sich ihrer Verantwortung für ihre jeweilige Region bewußt werden und die Attraktivität für
Anleger und Emittenten - seien sie groß oder klein - deutlich erhöhen. Hierzu bedarf es einer nicht zu unterschätzenden
Anstrengung mit dem Ziel, den Wettbewerb auch in Sachen Dienstleistungsangebot zum Maß aller Dinge zu machen.
Dies zu erreichen, bedingt aber eine gewisse Unabhängigkeit
gegenüber großen Anteilseignern der Börsenträger, die sich von der Auffassung verabschieden müssen, die
Börse sei ihre Privatangelegenheit. Dies bedeutet auch, daß sie sich davor zurückhalten, Schritt für Schritt
Tatsachen zu schaffen, die anderen lediglich die Chance einer schwächlichen Reaktion läßt, um das Schlimmste zu
verhindern.
Es müßte aller Ziel sein, den europäischen und anderen
Kapitalmärkten zu demonstrieren, daß die Vielfalt, die Europa und nicht zuletzt Deutschland auszeichnet, nicht auf dem Altar
einer gefährlichen, - und den nationalen Beeinflussungen entzogenen - , globalen Kapitalmarktstrategie geopfert werden muß.
Frankfurt muß sich hüten, dabei ein Opfer der eigenen Strategie zu werden und ebenfalls im Kampf mit europäischen
Plätzen zur Regionalbörse zu werden. In der Wirtschaft ist ein ungeliebter, oft verdrängter, aber eherner Grundsatz,
daß bei Fusionen die Umsätze der Partner nicht addiert werden können, daß eher eine gewisse Erosion eintreten wird.
Die Vielfalt der - durch ein Netz wettbewerbsfähiger, durch
Werbung und attraktive Börsendienste gestärkter, ihrer Verantwortung für ihre jeweilige Region bewußter -
Regionalbörsen kann wesentlich mehr bewirken als eine zentrale Börse. Eher sogar mehr, da sie die spezifischen Gegebenheiten
der jeweiligen Region durch ihre Marktnähe voll auszunutzen imstande ist. Über ihre jeweilige Marktstellung im Wettbewerb
entscheiden, neben der Qualität der angebotenen Dienstleistungen und der Betreuung von Anlegern und Emittenten, ihre
Flexibilität, neue Kundenkreise für den Kapitalmarkt zu akquirieren, und ihre Reaktionsfähigkeit auf Marktänderungen.
Dies bedingt allerdings, daß die eingesetzten Instrumentarien
nicht nur standardisiert, kompatibel und auf dem jeweils neuesten technischen Niveau angesiedelt sein müssen, sondern daß
sie auch durch geschickte Schnittstellen anderen Systemen die Kommunikation ermöglichen.
Für diese Vorstellung eine angepaßte und möglichst
flexible Struktur der Regionalbörsen und ihrer Träger zu schaffen, ist das Gebot der Stunde.
ENDE
Anlage 1
Thesen zur Neugestaltung der deutschen Börsen
1. Ausgangslage
These 1
Die Börsen sind nach allgemeiner Auffassung - und wohl nicht zu Unrecht - der Spiegel oder Ausdruck der
wirtschaftlichen Potenz einer Region oder eines Landes.
Wer die Nachrichten über die Entwicklung der Kurse am deutschen Kapitalmarkt in der letzten Zeit
verfolgt hat, wird feststellen, daß der DAX sich fast ausschließlich an Ereignissen in den USA orientiert.
Veränderungen der Zinssituation, Arbeitsmarktzahlen u. ä. in den USA beeinflussen den deutschen Aktienindex
wesentlich stärker als deutsche oder europäische Ereignisse. Hier zeigt sich aus dem Blickwinkel der deutschen
Börsen ein deutliches Mißverhältnis in der Bedeutung der Wirtschaftsräume und ihrer Wirksamkeit auf Aktienkurse.
Der einheitliche Kapitalmarkt der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion wird und muß
hier eine entscheidende Änderung bewirken. Der europäische Euro und der durch ihn vereinheitlichte Wirtschaftsraum
ist zumindest ähnlich stark wie der Dollarraum - speziell in den USA - und muß dies auch zum Ausdruck bringen.
Europäische Börsen können und müssen hierzu beitragen. Dies gelingt nur, wenn sie entsprechend gestärkt
und in ihrer Basis verbreitert werden.
These 2
Der deutsche Wirtschaftsraum spielt in Europa eine zentrale Rolle. Daß dies anerkannt wird, zeigt u.a.
die Einrichtung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt.
Die deutschen Börsen können diesen Stellenwert zur Zeit nicht bestätigen, da ihre Verfassung
nicht den Ansprüchen einer derartigen Stellung entspricht (Einzelheiten siehe Anlage 2).
These 3
Die Börsen unterliegen der absoluten Dominanz durch die deutschen Großbanken (bis maximal Platz
sieben der umsatzstärksten Kreditinstitute) und folgen damit zwangsläufig nicht nur volkswirtschaftlichen Regeln.
So teilen sich zum Beispiel die Deutsche Bank und die Dresdner Bank - dokumentiert durch die Besetzung der Führungspositionen
- die Leitung der Deutschen Börse AG, Trägerin der Frankfurter Wertpapierbörse und der Deutschen Terminbörse.
Dieser Börsenträger ist wiederum alleiniger Anteilseigner der Deutschen Wertpapierdaten-Zentrale (DWZ) -
Softwarelizenzgeber der deutschen Börsen - und des Deutschen Kassenvereins (DKV) - Abrechnungsstelle der
Börsengeschäfte. Damit sind alle anderen Regionalbörsen von der Deutschen Börse AG in gewisser Weise abhängig.
Die Situation der Regionalbörsen spiegelt in Kapitalanteilen, Beeinflussung und Besetzung von
Führungspositionen die Frankfurter Situation wider.
Damit ist eine von den Interessen der Großbanken unabhängige Börsenpolitik faktisch kaum noch
möglich (siehe hierzu Anlagen 1 und 2). Die Dominanz der betriebswirtschaftlichen Interessen der Großbanken
gegenüber den volkswirtschaftlichen Erfordernissen eines deutschen Kapitalmarktes ist deutlich, wenn man die Abwanderung
des Investment-Bankings der Marktführer nach London und die sich daraus ergebenden Konsequenzen berücksichtigt.
Auch dieser These widersprechende Gutachten - wie beispielsweise zum Deutschen Juristentag 1996 von Prof.
Mülbert (Trier) vorgelegt - können daran nichts ändern. Dieses Gutachten hat im übrigen auch Prof. Adams
(Köln) in ZIP 37-38/96 widerlegt. Er fordert die Trennung von Kreditinstituten und Kapitalanlagegesellschaften und zeigt
anhand der Beherrschung der Deutsche Börse AG als Trägerin der Frankfurter Wertpapierbörse den Schaden auf, der
dem deutschen Finanzmarkt - auch aus der Sicht ausländischer, insbesondere amerikanischer, Finanzmarktsachverständiger -
zugefügt wird.
These 4
Die deutschen Großbanken bevorzugen eine Zentralbörse für Deutschland in Frankfurt, trotz
verbal gegenteiliger Meinungsäußerungen und Betätigungsvorschlägen für die Regionalbörsen. Dies
zu erreichen, dokumentiert sich in dem Bestreben, möglichst schnell den Handel auf eine ausschließlich elektronische
Plattform zu übertragen. Außerdem soll der neutrale Intermediär abgeschafft werden. Die dann notwendigen besonderen
Marktüberwachungs-Kontrollmechanismen werden in den erforderlichen Investitionsvolumen nicht gesondert ausgewiesen. Daraus
läßt sich schließen, daß dafür auch kein besonderer Bedarf gesehen wird. Äußerungen von
Herrn Dr. Breuer - Mitglied des Vorstandes der Deutschen Bank und Vorsitzender des Aufsichtsgremiums der Deutschen Börse AG
als Träger der Frankfurter Börse -, es solle weniger staatlich überwachte Börsen und mehr private Handelssysteme
geben, zeigen diese Einstellung sehr deutlich.
Damit würde nicht nur das heutige, föderale Prinzip in der deutschen Börsenlandschaft außer
Kraft gesetzt, sondern auch Wettbewerb allgemein unterbunden (Einzelheiten siehe Anlage 1).
These 5
Der oft postulierte "Kampf der Systeme": Parkettbörse gegen Computerbörse ist ein Scheinkampf.
Auch die Parkettbörse operiert heute - anders ist das Geschäft gar nicht mehr abwickelbar - sehr stark mit
Computerunterstützung.
Der von den Börsenfachministern geforderte Erhalt des dualen Systems könnte bei diesen Überlegungen
nur dann eine Rolle spielen, wenn Investitionen in beiden Systemen durchgeführt würden. Fakt ist, daß die für
die Entwicklung beider Formen notwendigen Investitionen einseitig auf die elektronische Plattform gelenkt werden.
2. Neugestaltung (siehe auch Anlage 3)
These 1: Der Zugang zum Kapitalmarkt muß verbessert werden.
Die volkswirtschaftliche Aufgabenstellung der Börse ist es, das knappe Kapital des Anlegers dorthin zu lenken,
wo es optimal genutzt wird.
Interessanterweise tritt der so häufig angesprochene "Anleger" allerdings an der Börse in
Deutschland überhaupt nicht in Erscheinung. Im Gegensatz zum Ausland führt in Deutschland der Weg an die Börse
ausschließlich über die Banken. Im Ausland gibt es Broker, Makler oder agents de change, die für interessierte
Anleger tätig sind, in Deutschland nur die Banken.
Die 6. KWG-Novelle wird hier erstmalig eine grundsätzliche Änderung bringen, da hier auch anderen
Marktteilnehmern mindestens die Chance eingeräumt wird, als "Finanzdienstleistungsinstitut" an der Börse
für private Kapitalanleger tätig zu werden.
These 2: Der Kapitalmarkt muß durch verstärkte Einbeziehung privaten Kapitals erweitert werden.
Die privaten Anleger in Deutschland sind - anders als zum Beispiel in den USA - nur zu einem unterdurchschnittlichen
Anteil (5,5 % Deutschland gegenüber 21,1 % in den USA, Schweden sogar 35,3 %) am Kapitalmarkt beteiligt (siehe oben).
Erhöhte Attraktivität der gehandelten Papiere, erleichterte Börsenzugangsmöglichkeiten
(Zulassung Brokerhäuser, bankenunabhängige Emissionshäuser, Maklergesellschaften etc.), Verbreiterung der
Anlagemöglichkeiten (Venture Capital - Möglichkeiten wie im "Neuen Markt" vorgeschlagen, aber ohne Behandlung
als Sondermarkt), verstärkte Werbung der Börsen und Kapitalgesellschaften, Erleichterung der Börsenzulassungen
etc. können Instrumente für die stärkere private Beteiligung sein. Hinzu müßte ein breit gefächertes
Informationsangebot durch die Börsen treten.
Überlegungen zum Investivlohn sollten so gestaltet werden, daß dadurch entstehendes Kapital in Firmen-
oder Sammelfonds am Kapitalmarkt fungibel gemacht wird.
These 3: Die heute fehlende Wettbewerbssituation muß geschaffen werden.
Den Regionalbörsen müßte ein Handelsverbund - gestützt auf einheitliche Software, nun endlich
vereinheitlichte Geschäftsbedingungen und -bestimmungen und vergleichbare Gebühren mit durchaus spezifischen Ausprägungen
und Angeboten - ohne Zwischenschaltung der Banken ermöglicht werden, so daß die am Kapitalmarkt Agierenden - bei noch zu
schaffender voller Informationstransparenz - die jeweils günstigste Plazierung ihrer Order suchen können.
DWZ und DKV sind dafür von der Deutsche Börse AG zu trennen und zu verselbständigen.
These 4: Nur ein neutraler Intermediär ist Garant der Chancengleichheit im Börsenhandel.
Ein neutraler Intermediär muß unbedingt beibehalten werden, da ein Geschäft zwischen zwei Parteien
zu einem Kurs führt, der auch für Dritte u.U. entscheidende Bedeutung hat wie etwa hinsichtlich der Besteuerung von
Wertpapiergeschäften oder der Bilanzierung. Ob es sich hierbei um einen amtlich bestallten und vereidigten Kursmakler handeln
muß, bleibt dahin gestellt. Die Erfahrungen im angelsächsischen Raum sowie die Erfahrungen mit IBIS hinsichtlich Volatilität
bzw. Abschlußmöglichkeiten zeigen, daß ein neutraler - durch Umsatzprovision entlohnter - Intermediär erheblich zu
einer Marktausweitung beitragen wird, da sein Einkommen von der Höhe des erzielten Umsatzes abhängt.
Nur ein neutraler Intermediär ist in der Lage, die systemimmanente Chancenungleichheit (der Anbieter - Privatkunden
und nicht an der Börse vertretene Marktteilnehmer - muß sich zeigen, der Abnehmer reagiert) durch die Führung eines
geschlossenen Orderbuches auszugleichen, aber auch Manipulationen vorzubeugen.
Der vorgeschlagene Handelsverbund der Börsen untereinander würde diese Möglichkeiten verbessern.
These 5: Es muß eine neue Börsenstruktur geschaffen werden.
Die öffentlich-rechtliche Grundkonzeption der Börsen bleibt erhalten. Die Börsenträger sollten
privatrechtlich organisiert bleiben, aber aus ihrer Beeinflussung durch die Großbanken befreit werden. Dazu gehört, daß
die Kreditinstitute mittelbar und unmittelbar nicht mehr als 5% des Kapitals dieser Börsenträger halten dürfen.
Die heute existierende starke, personelle Durchdringung der Börsenorgane mit Bankenvertretern ist aufzulösen.
Der gesetzliche Ansatz der paritätisch besetzten Börsenräte ist in der gewollten Form offiziell zwar erfüllt,
faktisch aber unterlaufen worden.
Der Grundsatz der Nichtidentität zwischen dem Führungspersonal der Börsenträger, der Börsen
und ihrer Organe sollte so umfassend wie möglich gehandhabt werden.
Die Regionalbörsen sollten eine gemeinschaftliche Tochtergesellschaft, den "Deutschen Börsenverein"
als GmbH gründen, der die Interessen aller Regionalbörsen vertritt. Durch diese Organisation - Anteile sind nach Umsatzanteilen
am deutschen Kapitalmarkt gewichtet, Einstimmigkeitsprinzip erforderlich - könnte die Öffentlichkeitsarbeit betrieben, die
Mitbeteiligung an der Neu- bzw. Weiterentwicklung gesetzlicher Vorschriften u.ä. erfüllt werden.
Unabhängig von ihrer interessewahrenden Aufgabe, könnte diese Tochtergesellschaft der Börsen auch die
Anteile an einem "Dienstleistungscenter (DLC) Börse AG oder GmbH" halten, in dem die heutige DWZ und DKV
zusammengeführt würden.
Dabei würde der Anteil des "Deutschen Börsenvereins" auf eine Sperrminorität von 25% limitiert,
um der Gesellschaft auch die Aufnahme anderer Geschäftsfelder zu ermöglichen. Das DLC würde wie andere
Dienstleistungsunternehmen (z.B. Debis) am Markt agieren, aber aufgrund der Sperrminorität der Börsen diesem Bereich
besonderes Augenmerk widmen.
These 6: Die Effizienz der Wertpapieraufsicht sollte durch einheitliche Normen und klare Kompetenzabgrenzung
verbessert werden.
Das heutige Kontrollverfahren sollte im Prinzip beibehalten werden, wobei allerdings eine genaue Zuordnung im zu
betreuenden Sektor zwischen dem Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel und dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditgewerbe
vorzunehmen ist. Sinn dieser Überlegung ist, daß für das gesamte Wertpapierwesen nur eine Aufsicht existieren sollte,
um Doppelkontrollen zu vermeiden. Die funktionale Verbindung zwischen Bundes- und Länderbehörden sollte - z.B. im Wege der
Amtshilfe - wegen der Marktnähe erhalten bleiben.
Anlage 2
Die Banken, ihre Stellung im Kapitalmarkt und an der
Börse
Vorbemerkung
Die volkswirtschaftliche Aufgabenstellung der Börse ist es, das knappe Kapital des Anlegers dorthin zu lenken, wo es optimal
genutzt wird.
Interessanterweise tritt der so häufig angesprochene Anleger allerdings an der Börse in Deutschland überhaupt nicht in
Erscheinung. Im Gegensatz zum Ausland führt in Deutschland der Weg an die Börse ausschließlich über die Banken. Im
Ausland gibt es Broker, Makler oder agents de change, die für interessierte Anleger tätig sind, in Deutschland nur die Banken.
Die 6. KWG-Novelle wird hier erstmalig eine grundsätzliche Änderung bringen, da hier auch anderen Marktteilnehmern
zumindestens die Chance eingeräumt wird, als "Finanzinstitut" an der Börse für private Kapitalanleger
tätig zu werden.
Stellung der Banken im Wirtschaftsgeschehen
Durch das Universalbankenprinzip haben die deutschen Banken einen großen Einfluß in allen Wirtschaftsbereichen gewonnen.
Dies gilt seit kurzem auch für das Versicherungsgewerbe, dessen Markt den Banken lange vorenthalten wurde. Durch die Liberalisierung
im Zuge der europäischen Harmonisierung ist ihnen der Einstieg vor einiger Zeit gelungen.
Beispiele:
- Allgemeines Kreditgewerbe gegenüber Privat- und Geschäftskundschaft; starke Einflußmöglichkeiten sind sowohl
im privaten (Schufa) Bereich als auch bei Unternehmen (Aufsichtsratssitze in der überwiegenden Anzahl der Kapitalunternehmen,
meist aufgrund der Kreditvergabe) gegeben.
- Durch Gründung oder Übernahme von Leasing-Firmen, Unternehmensberatungs-Gesellschaften, Fonds, Bausparkassen,
Kreditkartenfirmen etc. ist es den Banken gelungen, ihren Einflußbereich erheblich auszudehnen.
- In den letzten zwei Jahrzehnten - im Gegensatz zu früheren Gepflogenheiten - ständig gestiegene Kapitalanteile an
führenden Industrieadressen und einer Vielzahl kleinerer Unternehmen im Zuge von Kreditabsicherungen, verbunden mit einer hohen
Abstimm-Macht durch die ihnen gesetzlich zugestandene, alleinige Depotverwaltung für Kapitalanteile in privater Hand und deren
Vertretung - so der Eigentümer nichts anderes verfügt - in den Hauptversammlungen der Kapitalunternehmen. Derzeit beträgt
die Abstimmquote und damit -macht etwas über 80%.
- Emissionen von industriellen und ausländischen öffentlichen Wertpapieren werden in aller Regel von den Banken am deutschen
Kapitalmarkt plaziert. Die hierfür aufzuwendenden Provisionen liegen erheblich über den Börsenzulassungsgebühren
und werden zusätzlich berechnet.
- Kapitalanleger sind gezwungen - so keine Börsenzulassung vorhanden -, ihre Geschäfte über die Banken abzuwickeln.
Sogar an der Börse zugelassene Marktteilnehmer müssen ihre Geschäfte über Banken abwickeln. Die daraus
resultierenden Provisionen machen einen erheblichen Teil der Gewinne der Banken aus. Die Höhe dieser Gebühren wirkt sich
prohibitiv auf die Teilnahme des privaten Aktienkapitals aus. Hinzu tritt die häufige Empfehlung der Banken an ihre Kunden,
"aus Absicherungsgründen gegen das Kursrisiko der Aktien" Fondsanteile (das Eigenkapital der Fonds weist häufig
die Banken direkt oder indirekt als Inhaber aus) zu kaufen.
Die vorgenannten Punkte haben dazu geführt, daß die Banken wie ein dem Kapitalmarkt vorgeschalteter Filter wirken und
hieraus einen erheblichen Anteil ihrer Einnahmen gewinnen. Da gleichzeitig der jeweilige Kapitalmarktkunde - insbesondere der private
Anleger - in aller Regel es aus Unkenntnis seiner Möglichkeiten den Banken überläßt, an welchem Börsenplatz
das gewünschte Geschäft getätigt werden soll, konnten die Banken durchaus zusätzliche Gewinne aus der
unterschiedlichen Kurssituation der einzelnen Plätze ziehen, vor allem dann, wenn die betroffenen Papiere hausintern und
außerbörslich oder im Zusammenspiel mit Partnerbanken gehandelt wurden.
Mit Ausnahme der Bundesbank und ihrer Landeszentralbanken ist es also den Banken gelungen, so gut wie alle Marktteilnehmer am
unmittelbaren Kapitalmarkt auszuschalten. Der Kapitalmarkt in Deutschland ist damit faktisch zu einer monopolistischen Veranstaltung
der Banken geworden. Durch hohe, von den Banken initiierte Sicherheitsleistungen als Basis für die Zulassung am Kapitalmarkt bzw.
an den Börsenplätzen, verbunden mit den wachsenden Kosten für die Unterhaltung von Büros an den einzelnen Börsen
ist zusätzlich die Zahl der am Kapitalmarkt agierenden Banken erheblich zurückgegangen. Die größten deutschen
Banken - bis maximal Platz 7 auf der Rangliste - sind heute praktisch unter sich.
Eine Weiterentwicklung der Maklerschaft zu Wertpapierhandelsfirmen wurde zwar offiziell gefordert, die notwendige Ausgestaltung aber
durch erhebliche Restriktionen - z. B. 6 Mio DM Kaution für eine Mitgliedschaft im DKV (Deutscher Kassenverein als
Geschäftsabwicklungsstelle/Clearinginstitut), keine Führung von Drittkonten etc. - verhindert. Inwieweit die neueren
Überlegungen des Gesetzgebers (6.KWG-Novelle oder das neue Finanzmarktförderungsgesetz) hier Abhilfe schaffen werden, bleibt abzuwarten.
Entwicklung des Kapitalmarktes
Dieser monopolistische Markt war nun so aufzuteilen oder zu organisieren, daß alle störenden Einflüsse ausgeschaltet
wurden bzw. werden.
- In einem ersten Schritt sind die die deutschen Börsen betreibenden Börsenträger als privatrechtlich organisierte
Gesellschaften - so ist der Börsenträger der Frankfurter Wertpapierbörse die Deutsche Börse AG, deren
Tochtergesellschaften die DWZ (Deutsche Wertpapierdaten Zentrale), die als Monopolist Dienstleister für alle Wertpapierbörsen
ist, und der Monopolist Deutscher Kassenverein für die Geschäftsabwicklung sowie die Deutsche Termin-Börse (DTB) als
deutsche Zentralbörse für Derivate - zu einem nicht unerheblichen Teil in der Hand der Banken konzentriert worden. Hierbei
fällt auf, daß sowohl Kapitalanteile als auch die Besetzung der führenden Positionen bei Trägern, Börsen und
deren Ausschüssen sowie der Börsenräte hauptsächlich unter den drei Großbanken Deutsche Bank, Dresdner Bank
und Commerzbank aufgeteilt sind.
- In der Regel sind die führenden Positionen bei den Börsen und ihren Trägern von Vorstandsmitgliedern dieser Banken
besetzt, wobei die größte deutsche Börse - Frankfurt - im Wechsel zwischen der Deutschen Bank und der Dresdner Bank
aufgeteilt ist. Dies gilt ebenso für die verschiedenen, neu geschaffenen Börsenräte, mit denen der Gesetzgeber diese
Marktbeherrschung eigentlich begrenzen wollte.
- Mit dieser faktischen Machtkonzentration sind Entscheidungen, die gegen Bankeninteressen gerichtet sind, ebenso zu verhindern, wie
man Widerstände gegen die Entscheidungen der Banken durch feinsinnige Instrumentarien zu unterlaufen versteht, wie z.B. durch
Marktreduzierung an bestimmten Börsen oder in bestimmten Bereichen, durch Einflußnahme auf die Aufteilung der Märkte
bei Börsenmaklern nach dem Grundsatz der gleichgewichtigen Beteiligung am Gesamtmarkt (erfolgreiche Börsenmakler werden
dadurch um ihren spezifischen Erfolg gebracht), durch Reduzierung der Börsenzulassung einzelner wichtiger Papiere auf eine
Börse (natürlich Frankfurt) etc..
- In einem zweiten Schritt wurde die aus Rationalisierungs-, Fehlerbeseitigungs- und Beschleunigungsgründen dringend gebotene
Einführung der elektronischen Daten- und Informationsverarbeitung forciert. Da andere Börsen wie z.B. Düsseldorf, mit
ihrer selbst entwickelten Software hinsichtlich Qualität und Anwenderfreundlichkeit dem Frankfurter Platz überlegen waren,
wurden diese Eigenentwicklungen mit Hilfe der betroffenen Börse (wie stark sich Pressionen ausgewirkt haben, bleibt offen) der
Deutschen Wertpapierdaten-Zentrale (DWZ) in Frankfurt übertragen und dort sofort stillgelegt, um die Frankfurter Systeme als
alleinige Systeme im Markt wirksam werden zu lassen (Argument: ein System ist billiger als mehrere. Die Gewinne der Deutschen
Börse AG sprechen für sich). Wichtig in diesem Zusammenhang, daß die Nutzerverträge, die mit den Regionalbörsen
geschlossen wurden, durch einen speziellen "Betriebs"vertrag zwischen der DWZ und der Frankfurter Börse von dieser
genehmigt werden müssen(!).
- In einem dritten Schritt wurde das IBIS-System als elektronisches Handelssystem eingeführt. Anderen, konkurrierenden Systemen,
die anerkannt besser und billiger waren, wurde der Zugang zur Börsen-Geschäfts-Abwicklung, trotz Einschaltung der
Kartellbehörden verwehrt. Eine weitere Nutzung dieser Systeme wurde dadurch unmöglich gemacht, ein gesunder Wettbewerb
verhindert. Des weiteren gehen die Öffnungszeiten von IBIS weit über die Geschäftszeiten der Parkettbörsen hinaus
(8.30 bis 17.00 Uhr) mit dem vordergründig einsichtigen Argument, hierdurch würde eine höhere Liquidität im
Gesamtmarkt geschaffen. Anträge der Kursmakler auf Verlängerung der Parkettbörsenzeit wurden konsequenterweise
regelmäßig abgelehnt.
- Die gemeldeten täglichen DAX-Kurse sind ausschließlich Kurse der Frankfurter Wertpapierbörse.
- Auf Antrag beim hessischen Wirtschaftsministerium wurde die Deutsche Termin-Börse (DTB) als Derivat-Handelszentrum 1991 in
Frankfurt gegründet. Sie ist eine klassische Zentralbörse, aber nur von einer Landesbehörde genehmigt.
- "Unter dem Druck der Rationalisierung" propagiert nunmehr die Deutsche Börse AG, Frankfurt, die Zentralisierung des
gesamten deutschen Marktes in Frankfurt bei Aufgabe der einzelnen Regionalbörsen oder - nachdem der Gegendruck größer
wurde - ihrer Spezialisierung auf regionale Papiere. Alle DAX-Werte sollen langfristig nur noch in Frankfurt gehandelt werden. Ein
häufig gehörtes Argument ist die Provinzialität des deutschen Kapitalmarktes aufgrund seiner regionalen Zersplitterung,
der in der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zu einem zweit- oder drittklassigen Markt würde. Hinzu tritt als
Kostenargument die Unterhaltung von Büros an acht Börsenplätzen und das Einsparungspotential, wenn alles in Frankfurt
konzentriert würde. Frankfurt sei darüber hinaus der natürliche Börsenplatz in Deutschland, insbesondere für
ausländische Anleger, und könne nur so - als Sitz der europäischen Zentralbank - die Bedeutung erlangen, die Deutschland
im europäischen Konzert zustehe.
- In einem vierten Schritt wird nun die elektronische Handelsplattform (eHS) vorgeschlagen, die alle heute existierenden Systeme ablösen
und zu einem integralen Handels- und Informationssystem ausgebaut werden soll. In diesem System sind die Börsenmakler
überflüssig, die Software regelt die Preise durch automatischen - oder besser mathematischen - Ausgleich der Orders. Die
Sicherheitsleistungen, die bei einer Marktteilnahme erforderlich sein werden, werden mit großer Sicherheit erheblich höher
als heute sein. Damit werden - außer den Großbanken - vermutlich einige der heute noch vorhandenen Marktteilnehmer
ausscheiden müssen.
- Würde auch der vierte Schritt realisiert, d.h. die Regionalisierung des deutschen Kapitalmarktes durch eine nur noch zentral
funktionierende Software faktisch ad absurdum geführt, wäre das Ziel einer endgültigen Marktbeherrschung erreicht.
Sogar der Gesetzgeber müßte das föderale Prinzip als "Behinderung des deutschen Kapitalmarktes" ansehen und
für dessen Ablösung durch Änderung der Gesetzeslage sorgen.
Anlage 3
Vorschläge zur Organisation der Börsen
1. Stärkung des deutschen Finanzmarktes im europäischen Kontext
Im Rahmen der zunehmenden Harmonisierungsbestrebungen in der EU - die beabsichtigte Wirtschafts- und Währungsunion ist lediglich
ein Beispiel - wird sich ein europäischer Kapitalmarkt entwickeln. Um sich in diesem europäischen Wettbewerb behaupten zu
können, muß der deutsche Kapitalmarkt gestärkt werden.
Dabei sind die wesentlichen Funktionen des Kapitalmarktes
- Kapitalbeschaffungsfunktion für den Staat bzw. für Unternehmen
- Steuerungsfunktion für die Zentralnotenbank im Hinblick auf die Geldmengensteuerung zumindest im kurzfristigen Bereich
nicht nur zu erhalten, sondern zu stärken.
Zur Erreichung dieser Ziele sind zwei Aktivitäten dringend erforderlich:
1. Verstärkung des Wettbewerbs, um die Liquidität des Marktes zu erhöhen
2. Stärkere Erschließung des Privatkapitals für den Kapitalmarkt durch Erhöhung der
Attraktivität des Marktes.
1.1 Verbreiterung des Kapitalmarktes
- Ausweitung bzw. Intensivierung der Industrieanleihen, Pfandbriefe, DM-Auslandsanleihen etc. Hierbei
sind die Gründe des geringen Interesses auf der Anbieterseite (?) wie auch auf der Käuferseite (Attraktivität,
Bekanntheitsgrad etc.) zu untersuchen.
- Schaffung eines Marktpotentials für Venture Capital. Hier ist über Fonds-, KfW-Betreuung
oder ähnliche, möglichst aber börsenfähige, Konstruktionen nachzudenken.
- Überprüfung der Börsen-Zulassungsbestimmungen für Emissionen; Ziel: Die heute
faktisch nur über die Kreditinstitute mögliche Emission muß auch anderen an der Börse zugelassenen Instituten
ermöglicht werden (bankenunabhängige Emissionshäuser, z.B. als Tochtergesellschaften von Börsen bzw.
Börsenträgern oder auch Maklergesellschaften bzw. Brokerhäuser). Durch Schaffung von Chancengleichheit müssen
gesetzliche Regelungen auch nutzbar sein.
- Intensivierung der Marktteilnahme privater Anleger durch Schaffung weiterer Vertriebswege - z.B.
Zulassung von Brokerhäusern (Vorbild angelsächsische Kapitalmärkte: Warum ist der Anteil privater Anleger dort
höher als in Deutschland ? Sicherheitsdenken, Unkenntnis aufgrund mangelnder Aufklärung usw. können als Gründe
nicht ausreichen.
- Überlegungen zum Investivlohn sollten so gestaltet werden, daß dadurch entstehendes Kapital
in Firmen- oder Sammelfonds am Kapitalmarkt fungibel gemacht wird.
1.2 Schaffung einer Wettbewerbssituation
- Die föderale Börsenstruktur - und damit das Prinzip der Regionalbörsen - hat sich bewährt
und sollte bestehen bleiben. Allerdings müssen die deutschen Börsen in einem echten Wettbewerb, d. h. unabhängig von Kreditinstituten,
untereinander stehen.
- Das gesamte Regelwerk muß nun endlich zwischen den Börsen harmonisiert werden, d. h.
Börsenordnungen, Zulassungsbestimmungen, Gebührenordnungen etc. Die Höhe der jeweiligen Börsengebühren
könnte aufgrund möglicher unterschiedlicher Service-Angebote bei den einzelnen Börsen durchaus variieren. Der
eintretende Wettbewerb wird auf jeden Fall für "marktgerechte" Preise sorgen.
- Zwischen den Börsen muß ein praktikabler Handelsverbund ermöglicht werden. Das bedeutet,
daß - bei aktuellen Informationen - Umsatzmöglichkeiten in den anderen Börsen ohne Umwege genutzt werden können.
Dies führt zu einer wesentlichen Liquiditätserweiterung bzw. zu höheren Umsätzen auch in marktengen Papieren.
- Um den Handelsverbund zu gewährleisten, muß die dafür erforderliche Software allen
Börsen zu gleichen Konditionen zur Verfügung stehen. Dies gilt vor allem für existierende oder noch zu entwickelnde
Informations- und Abwicklungssysteme.
- Neben den heutigen Marktteilnehmern sollten Brokerhäuser etc. wie in den angelsächsischen
Ländern zur Börse zugelassen werden. Der Diskussionsentwurf der 6.KWG-Novelle sieht dies auch vor. Es muß allerdings
dafür gesorgt werden, daß diese Möglichkeit auch realisiert werden kann (Siehe Deregulierungsaktivitäten bei
Versicherungen, Fluggesellschaften etc.). Die Sicherheitenfrage sollte deutlich anders und für alle Marktteilnehmer und Emittenten
gleich geregelt werden. Dabei ist allerdings darauf zu achten, daß die Ausgestaltung nicht dazu führt, daß nur noch
größere Kreditinstitute die Sicherheiten aufbringen können.
- Die DTB (Deutsche Termin-Börse) ist zur Zeit eine hessische Börse, übt aber die Funktion
einer Zentralbörse aus. Entweder sorgen die Bundesländer dafür, daß die DTB analog dem IBIS-Prinzip (juristischer
Teil jeder Börse) behandelt wird oder sie wird der noch gemeinsam zu gründenden GmbH der Börsen als
Börsenträger zugeordnet.
- Die Börsen oder deren Träger müssen eigene Emissionshäuser gründen können,
um in Konkurrenz zu anderen Börsen bzw. Kreditinstituten eigene Papiere oder Unternehmen bzw. deren Papiere am Markt zu plazieren.
Entsprechendes gilt für Maklergesellschaften, deren Gründung in der 6. KWG-Novelle ermöglicht werden soll Insoweit ist
die Zulassungsfreiheit zu garantieren. Der Rendite verpflichtete Tochtergesellschaften der Börsen bzw. privatwirtschaftlich
geführte Brokerhäuser oder Maklergesellschaften werden sehr schnell die Marktpflege auch im werbetechnischen Sinne als ein
wesentliches Instrument des Wettbewerbes begreifen.
- DWZ (Deutsche Wertpapier-Daten-Zentrale), DKV (Deutscher Kassenverein) sind von der Deutschen Börse
AG organisatorisch und kapitalmäßig zu trennen. Sie werden zu einer eigenständigen Gesellschaft (AG) und Software-Haus
im Sinne eines gewinnorientierten Dienstleistungsunternehmens umgewandelt. Das Kapital dieser Gesellschaft muß im Streubesitz sein,
um unabhängig agieren zu können. D.h. es darf nicht - wie heute - von den Kreditinstituten gehalten werden. Deren Beteiligung
an dieser Gesellschaft muß faktisch unter 5 % bleiben, um eine unzulässige Beeinflussung der Börsen zu vermeiden. Die
Börsen oder eine von ihnen gegründete Gesellschaft (s. weiter unten, Punkt 2) sollten Anteile bis zu einer Sperrminorität
von 25,1 % halten, um ihre Interessen wahren zu können. Diese Gesellschaft bietet ihre Leistungen den einzelnen Börsen zu
gleichen Konditionen an. Darüber hinaus kann sie unabhängig von den Börsen die eigene oder fremde Software am Markt
vertreiben, soweit deren Weitergabe die Interessen der Börsen nicht beeinträchtigt.
2. Börsenrecht bzw. -organisation
- Entweder sollten alle Börsen von einer Anstalt öffentlichen Rechts in eine privatrechtliche
AG umgewandelt werden oder - bei Beibehaltung des heutigen Prinzips - die Börsenträger. Dabei ist darauf zu achten,
daß die Kreditinstitute insgesamt nicht mehr als maximal 5 % der Aktien dieser neuen Gesellschaften halten dürfen. Der Rest
muß Streubesitz sein.
- Für die Börsen bzw. ihre Träger gelten die kartellrechtlichen Vorschriften. Dies ist
zwar bereits im § 2 Börsengesetz geregelt, wird aber nicht eingehalten. Die Vorschrift muß präzisiert und
verschärft werden, um dem Gedanken Geltung zu verschaffen.
- Termin- und Kassahandel sollten getrennt gehalten werden. Dies gilt um so mehr bei einer eventuellen
Integration der Aktivitäten der DTB in die einzelnen Börsen. Die mögliche Gefahr einer Manipulation ist auszuschalten,
um eine voneinander unabhängige Entwicklung der einzelnen Geschäftsfelder der Börse gewährleisten zu können.
- Präsenzbörse und Computerhandel (duales System) sind keine konkurrierenden Systeme, sondern
sie sind als komplementär zu verstehen. Die Börsenzeit beider Systeme muß allerdings harmonisiert und an übliche
Geschäftszeiten angepaßt werden. Die Vernetzung von institutionellem Handel und Einzelhandel (wholesale, retail) ist
vorzusehen.
- Ein neutraler Intermediär muß unbedingt beibehalten werden. Ob es sich hierbei um einen
amtlich bestallten und vereidigten Kursmakler handeln muß, bleibt dahin gestellt. Die Erfahrungen im angelsächsischen
Raum sowie die Erfahrungen mit IBIS hinsichtlich Volatilität bzw. Abschlußmöglichkeiten zeigen, daß ein
neutraler - durch Umsatzprovision entlohnter - Intermediär erheblich zu einer Marktausweitung beitragen wird, da sein Einkommen
von der Höhe des erzielten Umsatzes abhängt. Der vorgeschlagene Handelsverbund der Börsen untereinander würde
diesen Effekt verstärken.
- Dieser positive Effekt gilt auch und insbesondere im Computerhandel. Vorschriften der Kursfindung, wie
sie durch das SEC in den USA existieren, sollten auf Übernahme bzw. Anpassung hin überprüft werden.
- Zur Zeit existieren unterschiedliche Definitionen hinsichtlich Börsenpreise bzw. Kurse. Diese sind
dringend zu harmonisieren bzw. festzulegen. Entsprechendes gilt für die Preisfeststellungsregeln. Aufgrund eines derartigen
Definitionskataloges könnte auch die heute existierende Struktur der Kurse ggf. angepaßt bzw. neu geordnet werden. Die
Aufteilung in DAX-Werte (die 30 umsatzstärksten Papiere), neuerdings MDAX-Werte (die nächsten 70 auf der Umsatzskala) und den
großen Rest sogenannter marktenger Papiere (ca. 700) ist willkürlich und führt zur Nichtbeachtung der sogenannten Small
caps (eben diese 700).
- Gleichzeitig ist nicht einzusehen, warum die Indices DAX und MDAX nur auf Frankfurter Kursen beruhen.
Auch sollte die heutige Trennung zwischen variablem und Kassahandel für die gerechneten Kurse aufgegeben werden. Darüber
hinaus ist der gesamte Handel grundsätzlich an Börsenpreise anzubinden. Für Bewertungsfragen sollte in Zukunft nur noch
von gewichteten Kursen ausgegangen werden. Dies widerspräche - trotz des Anscheins - nicht dem steuerlichen Niederstwertprinzip,
wenn nicht mehr die Börsenschlußkurse, sondern nur noch die gewichteten Kurse für steuerliche Zwecke herangezogen
würden.
- Das bisherige Verfahren von der Trennung zwischen Handel und Abwicklung sollte beibehalten werden. Wie
bereits oben erwähnt, wird die DWZ/DKV zu einer selbständigen Gesellschaft, die im Lohn - vergleichbares gibt es in der
Industrie beispielsweise bei der Lohn-DV (EDS, Debis) - die Abwicklung für alle Börsenteilnehmer und die Kontrollbehörden
übernimmt.
- Das heutige Kontrollverfahren sollte im Prinzip beibehalten werden, wobei allerdings eine genaue Zuordnung
im zu betreuenden Sektor zwischen dem Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel und dem Bundesaufsichtsamt für das
Kreditgewerbe vorzunehmen ist. Sinn dieser Überlegung ist, daß für das gesamte Wertpapierwesen nur eine Aufsicht
existieren sollte, um Doppelkontrollen zu vermeiden. Die funktionale Verbindung zwischen Bundes- und Länderbehörden sollte
wegen der Marktnähe im Wege der Amtshilfe erhalten bleiben.
- Ein besonderes Gewicht muß in Zukunft dem "Verbraucherschutz" des gegenwärtigen
und zukünftigen Wertpapierbesitzers zukommen. Hier sind entsprechende Regelungen auszuarbeiten.
- Die einzelnen Börsen sollten eine gemeinsame Gesellschaft gründen, die als
Interessenvertretung der Börsen in allen Belangen für Dritte als Ansprechpartner gelten kann. Sie sollte in Form einer GmbH
geführt werden. Die Geschäftsführung dieser Gesellschaft darf nicht mit den Geschäftsführungen der Börsen
bzw. Börsenträgern identisch sein. Der Kapitalanteil der Börsen an der DWZ könnte über diese Gesellschaft
gehalten werden.
- Der Grundsatz der Nichtidentität zwischen dem Führungspersonal der Börsenträger,
der Börsen und ihrer Organe sollte so umfassend wie möglich gehandhabt werden.
- Im Zuge einer Neuregelung ist die berufliche Qualifikation eines Intermediärs bzw. eines
Angestellten von Brokerhäusern grundsätzlich neu zu regeln. Die heutigen Bestimmungen reichen nicht aus. Das Berufsbild
muß zusammen mit den IHK'n neu entwickelt werden. Eine entsprechend ausgestaltete Prüfung ist vorzusehen. Einwände wie
Hinweise auf Art. 12 sind hier nicht angebracht bzw. überwindbar.
Darüber hinaus sind offensichtlich in den Investitionskosten für ein eHS (elektronische Handelssystem) und zu einem
späteren Zeitpunkt für eine elektronische Börse weder die Folgekosten für die Umstellung der am Handel
Beteiligten enthalten, noch die - gemessen an internationalen Maßstäben - notwendigen Kontrollmechanismen. Staatliche
Stellen - nicht zuletzt in Deutschland - denken über Kontrollmechanismen notwendigerweise anders. Damit könnten die
Investitionsvolumina alle diskutierten Beträge erheblich übersteigen, denn quasi automatische Kontrollen in großen und
komplexen DV-Systemen kosten - wie jeder Fachmann bestätigen kann - einen hohen Aufwand, sprich sehr viel Geld. Wohl gemerkt, bei
diesem Argument handelt es sich nur um einen Aspekt in einer längeren Reihe von nicht in die Investitionskosten einbezogenen
Aufwendungen.
Anlage 4
Einzelne Verbesserungsvorschläge
1.Schaffung eines neutralen, privaten Anlegerpasses
Nach den Vorschriften des neuen Werpapierhandelgesetzes ist ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet,
"von seinen Kunden Angaben über ihre Erfahrungen oder Kenntnisse in Geschäften, die Gegenstand von
Wertpapierdienstleistungen sein sollen, ..." zu verlangen. Dies hat in der Vergangenheit zu Irritationen geführt, nicht
zuletzt weil Anleger sich bevormundet fühlten.
Ein Weg zur Begrenzung dieses Problems könnte die Einführung eines "Anlegerpasses" sein. Diesen
Paß würde derjenige erhalten, der durch die Absolvierung eines Kurses über den Kapitalmarkt, seine Spielregeln, die
wichtigsten Anlageformen und ihre Stellung im Kapitalmarkt sowie die rechtlichen Voraussetzungen und Gefahren dieses Marktes nachweisen
kann, daß er sich mit der Materie intensiv beschäftigt hat und demzufolge die Risiken einzuschätzen in der Lage ist.
Derartige Kurse könnten seitens der Industrie- und Handelskammern oder auch in Volkshochschulen mit fachlicher
Unterstützung der Börsen angeboten und bestätigt werden. Inhaber eines derartigen Zertifikates könnten dieses Papier
bei ihrer Bank präsentieren und würden dadurch von einer Überprüfung befreit.
Ein weiterer Vorteil dieser Kurse wäre eine breite, fachkundige und objektive Aufklärung der
Öffentlichkeit über die diversen Anlageformen, damit Schutz vor dubiosen Anlageberatern und nicht zuletzt auch ein Beitrag zur
Verbesserung der Aktienkultur.
2.Änderung in der Abwicklung von Kleinorders
Es ist unverständlich, warum die heute geübte Praxis - sog. Kleinorders ausschließlich zum Kassakurs
abzuwickeln - weiterhin praktiziert wird. Zusätzlich ist die Kassakursfeststellung der Börsen ins Kreuzfeuer der Kritik an
den Maklern geraten. Insiderhandel und Frontrunning sind die gewichtigsten Vorwürfe. Dies vorwiegend dann, wenn sich der Makler
über das Orderbuch für den Kassakurs vorab informiert und anschließend noch variable Geschäfte aufgrund dieser
Kenntnis abschließt. Diente dies früher noch als Bestandteil des Gesamthandels, so wird dies heute anders gesehen.
Gerade Kleinanleger haben aber oft eine zum Gesamt/Profimarkt konträres Orderverhalten, deren Intentionen in
einem Verlaufshandel stärker berücksichtigt werden müßten.
Eine Lösung, die zu einer erheblichen Reduzierung dieses Problems führen könnte, wäre eine andere
Handhabung der Ausführung der sogenannten Kassaorders, nämlich Ausführung - bei der heutigen Technik kein Problem - zu
allen gerechneten Kursen. Warum werden Kleinaufträge des privaten Anlegers, die in der Addition sich durchaus zu nennenswerten
Größenordnungen addieren können, nicht bereits zum Eröffnungskurs ausgeführt? Damit wäre gleichzeitig
die Chance einer zweiten und dritten Berücksichtigung bei der Kursfeststellung gegeben. Ein Informationsvorsprung durch die
skontroführenden Makler wäre in diesem Falle nicht vorhanden.
Eine weitere, oft zu Irritationen führende Praxis ist die Splittung einer Order. Bei einem Gesamtvolumen von
beispielsweise Stück 525 werden bei rechtzeitiger Vorlage Stück 500 zum Eröffnungskurs und Stück 25 zum Einheitskurs
ausgeführt, was in vielen Fällen auch zu Mehrkosten für den Auftraggeber führt.
Natürlich bleibt auch bei diesem Vorschlag die Weisungsfreiheit des Auftraggebers nicht berührt.
3.Ausweisung eines gewichteten Kurses
Normalerweise wird für die Bilanzbewertung der Einheits-/Kassakurs herangezogen. Der Schlußkurs - oft ohne
Umsatz - wäre zumindest der aktuellste Kurs des Börsentages. Beide haben den Nachteil, daß sie oft nicht
repräsentativ für den Gesamthandel an diesem Tage sind. Eine Lösung wäre in diesem Fall die Ausweisung eines
gewichteten Kurses, der sich aus allen Geschäftsabschlüssen, die zu Börsenpreisen geführt haben, ermitteln
ließe.
4.Vorabinformation des Handels (Pre-trade)
Weiterhin sollte die bis heute freiwillige pre-trade-Anzeige verpflichtend, den Intentionen des Börsengesetzes
entsprechend, eingeführt werden. Diese Anzeige informiert den Handel, über andere Informationssysteme auch alle Kundenberater,
Anleger und an aktuellen Kursen Interessierte über die aktuelle Auftragslage an der Börse. In der Vergangenheit waren im
Gegensatz zu einer Computerbörse nur die historischen Kurse erhältlich. Bei zunehmender Volatilität
(Kursschwankungsbandbreite) der Kurse ist dies heute für die Information der potentiellen Auftraggeber von großer Bedeutung.
5. Kostenreduzierung durch Zusammenfassung
Wie bereits unter Punkt 1 angeführt, wäre weiterhin empfehlenswert, eine Mehrfachausführung durch den
Makler zusammenzuführen und über einen gewichteten Durchschnittskurs abwickeln zu können. Es ist nun wirklich nicht
einzusehen - und für den betroffenen Kunden ganz und gar unverständlich -, warum die Festlegungen an der Börse, z.B.
über die zu handelnden Stückzahlen, bei ihm zu Mehrkosten und unterschiedlichen Kursen führen.
6. Geld- und Briefnotierungen im Pfandbriefmarkt (Verbesserung der Transparenz)
Vor Ausgabe der sogenannten Jumboanleihen war dieses Börsenmarktsegment durch eine extreme Illiquidität
gekennzeichnet. Für den Privatanleger war es wohl möglich, Anlagen durch eine teilweise vorbildliche Marktbetreuung seitens
der Emittenten zu verkaufen, selten aber Anleihen durch Börsenaufträge, trotz teilweise besonders günstiger Renditen,
(auf die Kaufkurse der Emittenten berechnet), zu kaufen. Hier wäre die zusätzliche Information des Briefkurses - wenn
überhaupt vorhanden - eine erhebliche Entscheidungshilfe für den Anleger. (Dies gilt auch für andere, sehr marktenge
Papiere.)
Als eine weitere Hilfe in diesem fast 20.000 Titel zählenden Markt könnte auch ein anderer Ordertyp
eingeführt werden, der statt der speziellen Anleihe eines Emittenten, sich ausschließlich auf entsprechende
Ausstattungsmerkmale einer Anleihe bezieht. Ob dieser Kreis auch mehrere Emittenten umfassen würde, bei gleicher Bonität,
müßte diskutiert werden.
7. Verbesserung der Information
Um eine bessere Transparenz und Nachvollziehbarkeit der börsenmäßigen Orderausführung für
externe Auftraggeber zu ermöglichen, sollte - wie auch vom Gesetzgeber, leider nur innerhalb der Börse, verlangt - die Anzeige
von Kurs, Ausführungszeit und Umsatz generell gefordert werden.
8. Ad-hoc-Publizitätspflicht
Zu Recht hat die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DWS) die fehlende, für Privatkunden
zugängliche Information über kursrelevante Nachrichten der Unternehmen bemängelt und deshalb eine Verbreitung über
Btx vorgeschlagen. Dies reicht nicht aus. Einen einfachen Telefon-Ansagedienst, in dem die neuesten Informationen aus dem Bereich der
Unternehmen und des Marktes für jeden abrufbar sind, zu schaffen, dürfte keine zu großen Schwierigkeiten bereiten. Das
Telefon ist bekanntlich weiter verbreitet als Btx.
9. Vorbereitung auf einen europäischen Handel
Nicht nur die Umstellung auf den EURO wird den Börsen einiges Kopfzerbrechen verursachen. Genau so notwendig
wäre ein Abgleich der Geschäftsbedingungen, frühzeitige Information über die zu erwartende Umstellung auf eine
12-stellige Wertpapier-Kennummer, ein europäisches Händlerverzeichnis sowie - für Aufsichtsbelange dringend erforderlich -
ein sogenanntes Stammnummern-Verzeichnis. Dies würde alle Emissionen eines auch multinational operierenden Emittenten unter der
entsprechenden Mutter auflisten. Eine Arbeitsmappe "Finanzplatz Deutschland" mit allen relevanten Gesetzen, Börsenordnungen,
Geschäftsbedingungen, Mitglieder- und Gremienverzeichnissen u.v.a.m. würde als Visitenkarte auch nicht schaden.
10.Meldepflicht für außerhalb der Börse getätigte Geschäfte in börsennotierten Werten
Außerhalb der Börse getätigte Geschäfte in börsennotierten Papieren sind derzeit an der
Börse nicht bekannt. Um die Transparenz des Wertpapierhandels insgesamt zu verbessern, sollten diese Umsätze in Zukunft nicht
nur dem Bundesamt für den Wertpapierhandel, sondern auch der Börse angezeigt werden. Dies müßte tagesaktuell
geschehen, d.h. das Geschäft wäre nach Abschluß direkt den zuständigen Stellen anzuzeigen.
Klaus Mathis